Strategische Geschäftseinheiten als Gegenstand des Portfoliomanagements

Strategische Geschäftseinheiten von Unternehmen können Gegenstand von M&A-Prozessen sein. Ebenso können sie organisch entwickelt und aufgebaut werden. Aktives Portfoliomanagement von Unternehmensbereichen ist eine undelegierbare Aufgabe des Topmanagements. Und gleichzeitig eine der wichtigsten und schwierigsten.

Strategische Geschäftseinheiten (SGEs) sind Teile eines Unternehmens, die unabhängig von anderen SGE´s eigenständig Märkte mit ihren Produkten bearbeiten. Abstrakt gesprochen handelt es sich dabei um eigene Produkt-Markt-Kombinationen, die eigene Marktaufgaben erfüllen. Sie können unternehmensrechtlich verselbständigt sein (z.B. Tochtergesellschaften) oder auch ohne eigene rechtliche Struktur organisatorisch selbständig agieren. Immer ist die eigenständige Marktaufgabe das Abgrenzungskriterium zu anderen strategischen Geschäftseinheiten.

Mehrere strategische Geschäftseinheiten mit komplementären Marktaufgaben können zu strategischen Geschäftsfeldern (SGFs) zusammengefasst werden. Für diese werden dann häufig eigene Strategien entwickelt. In der Praxis werden die Begriffe strategische Geschäftseinheit und strategisches Geschäftsfeld auch oftmals synonym verwendet.

Oftmals werden auch noch verschiedene strategische Geschäftsfelder zu sogenannten “Business Units” (BUs) zusammengefasst. Die Bedeutung all dieser begrifflichen Differenzierungen sollte jedoch nicht überschätzt werden. Für unsere Zwecke (Portfoliomanagement) werde ich mich in der Folge auf strategische Geschäftseinheiten beschränken. Alles Gesagte gilt jedoch grundsätzlich auch für Strategische Geschäftsfelder und Business Units. 

Bereiche, strategische Geschäftsfelder und strategische Geschäftseinheiten im Unternehmen. Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Strategische_Geschäftseinheit

Idealerweise sollte die Struktur der SGEs maximale Synergien ermöglichen

Die Struktur der strategischen Geschäftseinheiten eines Unternehmens wird maßgeblich vom Umfang der Aktivitäten, die sich in der Geschäftseinheit wiederfinden, bestimmt. Findet etwa nur die Marktbearbeitung innerhalb der SGE statt oder wird dort auch produziert? Werden die Finanzen der SGE durch diese selbst gemanagt oder findet das woanders statt? Wird die SGE straff von einer Zentrale aus geführt oder agiert sie weitgehend autonom? Die Komplexität des Gesamtunternehmens wird von derartigen Fragestellungen bestimmt.

Spricht man von der Struktur der strategischen Geschäftseinheiten sowie dem Umfang der Aktivitäten des Gesamtunternehmens, so meint man damit im Grunde das “Unternehmensportfolio”, auch “Geschäftsportfolio” genannt. Es versteht sich, dass es eine zentrale Managementaufgabe ist, dieses Unternehmensportfolio laufend zu überprüfen, zu bewerten und aktiv zu bewirtschaften. Dies ist sowohl aus Risikogesichtspunkten, als auch aus Liquiditäts- und Rentabilitätsgesichtspunkten eine nicht delegierbare Aufgabe des Topmanagements. Folgende Fragen sollten in diesem Zusammenhang regelmäßig wiederkehrend für jede SGE gestellt werden:

Organische Unternehmensentwicklung oder Mergers and Acquisitions?

Wichtig zu verstehen ist, dass sich diese Fragen nicht nur im Bereich von Großunternehmen, sondern auch bei den meisten mittelständischen Unternehmen stellen. Die gezielte Anpassung des Unternehmensportfolios kann einerseits organisch aus dem Unternehmen selbst heraus erfolgen. In zunehmendem Ausmaß greifen Unternehmen aber auf Mergers & Acquisitions (M&A) zurück, um das Unternehmensportfolio gezielt zu verändern. Dies hat mehrere Gründe. M&A geht schneller. Bis ein Geschäftsbereich organisch zu relevanter Größe entwickelt werden kann, stellen sich in unserer kurzlebigen Zeit bereits vielleicht ganz andere Themen. M&A ermöglicht es, funktionsfähige Organisationen mit eigenen Kernkompetenzen ins Unternehmen zu holen (oder auch teuer zu verkaufen). Synergiepotenziale zwischen bereits bestehenden eigenen und fremden SGEs lassen sich konkret abschätzen und schneller heben als wenn erst etwas völlig neu aufgebaut werden muss.

Wird das Unternehmensportfolio durch M&A verändert, so sollte nicht übersehen werden, dass dies bedeutende Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben kann. Oftmals scheitern M&A-Aktivitäten daran, dass diesem Aspekt nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Artet der Integrationsprozess einer Akquisition in internen Grabenkämpfen aus, so können auch negative Synergien entstehen. Der Prozess der „Post-Merger-Integration“ ist deshalb von fundamentaler Bedeutung. Immer sind es Menschen, die ein Geschäft tragen. Wenn diese nicht am selben Strang ziehen, entstehen im besten Fall Ineffizienzen. Im schlechtesten Fall kann ein Unternehmen auch kippen. Sind Kulturen inkompatibel, eine Akquisition aber dennoch notwendig oder sinnvoll, dann kann es oftmals besser sein, eine weitgehende Integration zu unterlassen und die Teile eines Gesamtunternehmens nebeneinander weitgehend selbständig operieren zu lassen. Oftmals ist das Scheitern einer Post-Merger-Integration aber auch auf falsche Anreize oder eine missglückte Machtverteilung im Unternehmen zurückzuführen.

Nur eine Minderheit aller M&A-Transaktionen sind empirisch betrachtet als Erfolg zu bezeichnen, eine Mehrheit scheitert oder führt zu unklaren Ergebnissen. Das darf nicht überraschen. Wenn man überlegt, wie viele Ehen geschieden werden und man dann auch noch die unglücklichen oder indifferenten Ehen hinzurechnet, kommt man auf eine noch höhere Quote von nicht erfolgreichen Partnerschaften. Aber auch Singles sind nicht glücklicher. Ebenso wenig sind Unternehmen erfolgreicher, die niemals mit M&A in Berührung gekommen sind.

Wenn man nun aber glaubt, durch organische Unternehmensentwicklung diese Probleme vermeiden zu können, so kann sich auch dies als Fehlschluss erweisen. Oftmals führt dies nämlich auch zu suboptimalen Ergebnissen. Man stelle sich ein hocheffizientes, auf Kostenführerschaft ausgelegtes Unternehmen vor, das plötzlich unkonventionelle Problemlösungen und innovative Konzepte umsetzen soll. Die Kultur des Unternehmens ist jedoch auf straff organisierte Prozesse ausgelegt. Derartige Unternehmen sind oftmals nicht in der Lage, schnell genug, unhierarchisch und unkonventionell Neuerungen hervorzubringen. Das ist beispielsweise der Grund, warum Pharmaunternehmen Biotechunternehmen kaufen oder deren Produkte einlizensieren, anstatt selbst entsprechende Forschung und Entwicklung zu betreiben. Banken sind regelmäßig zu schwerfällig, um die Innovationskraft von Fintech-Unternehmen zu entwickeln. Kodak hatte die erste Digitalkamera entwickelt, diese Produktinnovation aber nicht im eigenen Unternehmen realisiert, weil dieses zukunftsträchtige Geschäftsfeld von den damaligen Cash-Cows dieses damals marktführenden Unternehmens als Konkurrenz betrachtet wurde. Und Nokia, ein an sich in seiner Geschichte sehr wandlungsfähiges Unternehmen, hat den Weg zum Smartphone schlicht verschlafen und auch nicht rechtzeitig durch eine gezielte Akquisition die Kurve gekratzt.

Wie kann M&A erfolgreich betrieben werden?

Immer wieder zeigen Unternehmen, dass sie bei M&A-Transaktionen überdurchschnittlich erfolgreich sind. Und zwar unabhängig von der Integrationsmethode. Grundsätzlich kann man zwei Extrempositionen unterscheiden. Einerseits kann ein übernommenes Unternehmen (“Target”) vom Käufer vollständig in die eigene Organisation integriert werden (Modell “Fokussiertes Unternehmen”). Dabei werden Aufbau- und Ablauforganisation des Targets durch das Käuferunternehmen an die eigenen Strukturen angepasst und auch die Kultur in diese Richtung verändert. Andererseits kann ein Target auch in seiner Struktur und seinen Prozessen ebenso wie in seiner Kultur weitgehend erhalten werden (Modell “Finanzholding”). Gemeinsame Klammer sind dann meist zumindest eine punktuelle Zusammenarbeit sowie ein einheitliches Reporting.

Die Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung dient zumeist als Grundlage eines Unternehmenskaufs. Dabei soll das Zielunternehmen umfassend durchleuchtet werden. Eine mangelhafte Due Diligence ist zumeist verantwortlich, wenn später böse Überraschungen auftreten. Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass hier oft zu leichtfertig agiert wird. Manchmal will ein Käufer auch gar nicht alle Probleme kennen, da dies dann dem Unternehmenserwerb im Wege stehen könnte. Manager verfolgen eben oft ihre eigene Agenda, nicht immer im Interesse ihres Unternehmens. Vielfach ist das Scheitern von Unternehmenskäufen auf unzureichend durchgeführte Due-Diligence-Prüfungen zurückzuführen. Im Rahmen der Due Diligence sollte sich auch zeigen, wo Probleme und Risiken liegen, ob das Target zum Käufer passt, welche Synergien gehoben werden können und auf welche Art die Integration stattfinden soll.

General Electric ist das Paradebeispiel einer höchst erfolgreichen reinen Finanzholding mit sehr geringer Integrationstiefe. Cisco ist als Beispiel eines fokussiertes Unternehmen mit hoher Integrationstiefe ebenfalls sehr erfolgreich durch M&A zu dem geworden, was es heute ist. Ein Patentrezept gibt es also nicht. In der Regel zahlen strategische Investoren höhere Preise als reine Finanzinvestoren. Dies liegt daran, dass Strategen Synergien heben können, während Finanzinvestoren Zukäufe tätigen, die auf einer Stand-alone-Basis profitabel sein müssen. Zumeist setzt das Heben von Synergien allerdings ein Mindestmaß an Zusammenarbeit und Verflechtung zwischen den Unternehmen voraus. Quelle: http://naibuzz.com/2015/01/01/10-richest-companies-worldwide

Eine unglückliche Post-Merger-Integration kann eine Fusion zum Scheitern bringen

Synergien können nur dann optimal gehoben werden, wenn der Integrationsprozess nach einem Unternehmenszusammenschluss gut gemanagt ist. Ein gescheiterter Zusammenschluss kann massiv Werte zerstören. Das wohl prominenteste Beispiel aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte ist die gescheiterte Fusion von America Online (AOL) und Time Warner. Im Januar 2001 erhielten die beiden Unternehmen grünes Licht von den Regulierungsbehörden in den USA, nachdem sie ein Jahr vorher die Pläne für eine Fusion bekanntgegeben haben. Die Erwartungen waren gewaltig. AOL Time Warner wurde zum größten Medienkonzern der USA. AOL war damals der führende Internetanbieter der USA mit 26 Millionen Kunden. Time Warner war zu dieser Zeit einer der weltweit größten Medien- und Unterhaltungskonzerne. Durch den Zusammenschluss entstand ein Unternehmen, dessen Geschäftsfelder von der Produktion von Printmedien, Musik, Filmen und Fernsehprogrammen bis zur Verwertung dieser Inhalte im Internet reichten. Die Synergien lagen auf der Hand. Time Warner, der Medienriese aus der “Old Economy” schloss sich mit dem Internetgiganten AOL aus der “New Economy” zusammen.

Nach der Fusion betrug der Börsenwert des Unternehmens rund 350 Milliarden USD. In der Folge fiel dieser Wert laufend. Im Jahr 2009 betrug er noch rund 66 Milliarden USD. Als Folge der gescheiterten Fusion kam es in diesem Jahr dann zur Abspaltung von AOL. Im Mai 2009 gab Time Warner bekannt, AOL abzuspalten.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb am 29.5.2009: “Die Trennung markiert einen symbolträchtigen Schlussstrich unter einer Verbindung, die als einer der größten Fusionsflops aller Zeiten gilt”. Die Post-Merger-Integration war missglückt. Die beiden Unternehmenskulturen fügten sich nie zusammen, Synergien konnten nicht gehoben werden, ein gigantischer Schuldenberg wurde aufgebaut. Bereits im Jahr nach der Fusion wies das Unternehmen einen Nettoverlust von fast 100 Milliarden USD aus, der auf Firmenwertabschreibungen bei AOL zurückging. Bereits im Jahr 2003 wurde AOL zur reinen Tochtergesellschaft degradiert. Eine in Angriff genommene Neuausrichtung von AOL misslang ebenfalls. Im Jahr 2006 ist schließlich Google mit einem Betrag von einer Milliarde USD für eine Beteiligung von 5% bei AOL eingestiegen. Auch dieses Engagement half nicht. Bei der Abspaltung im Jahr 2009 hatte Google die Beteiligung an AOL nur mehr mit einem Betrag von 274 Millionen USD in den Büchern.

Portfoliomanagement ist ein wichtiger strategischer Werttreiber

Portfoliomanagement ist eine Aufgabe, welche das Management – insbesondere das Topmanagement eines Unternehmens – regelmäßig beschäftigt. Je größer Unternehmen sind, desto häufiger werden sie mit derartigen Themenstellungen konfrontiert. Aufgrund der Komplexität und Bedeutung ist diese Aufgabe auch nicht delegierbar. Ich werde demnächst in einem weiteren Blogpost darauf eingehen.

 

 

 

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