„Urbanisierung“ unterstützt entscheidend Chinas Wachstumstempo

Auch wenn die Wachstumsdynamik in China auf hohem Niveau nachlässt, so ist sie dennoch mittlerweile seit Jahrzehnten berauschend. Wesentliche Triebfeder ist der Umbau Chinas von einem Agrarstaat in eine moderne Volkswirtschaft. Megacities ermöglichen diese Transformation. Dieser globale Trend ist unaufhaltsam.

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Als Deng Xiao Ping nach der langen Ära Maos im Jahr 1978 die Modernisierung Chinas in Angriff nahm, lebten 80% der chinesischen Bürger in ländlichen Regionen. Damals rief Deng Xiao Ping den Aufbruch Chinas in ein neues Zeitalter aus. Viele der heutigen Metropolen waren damals noch kleine Städte oder Dörfer. Nur drei Jahrzehnte später, im Jahr 2010, war bereits ein gigantischer demographischer Wandel vollzogen. Der Anteil der städtischen Bevölkerung überstieg erstmals den der Landbevölkerung.

Seit damals hat in China eine massive Bevölkerungswanderung in die Städte zunächst an der Ostküste stattgefunden. Ein gutes Beispiel ist Guangzhou, eine Metropole nördlich von Hong Kong. Seit 1980 sind bis heute ungefähr 18 Millionen Menschen in diese Metropole gezogen. Aber auch in Zentralchina wachsen die Megacities in rasendem Tempo. Die Metropolregion von Chongqing am Zusammenfluss von Jangtsekiang und Jialing zählte Ende 2016 bereits rund 30 Millionen Einwohner. Gerade diese Stadt samt Peripherie ist ein Paradebeispiel für die systematische Urbanisierung Chinas durch die Regierung. Damit einher ging das chinesische Wirtschaftswunder.

Urbanisierung ist seit Jahrhunderten ein globaler Trend

Wikipedia definiert Urbanisierung folgendermaßen: Unter Urbanisierung (lateinisch urbs „Stadt“) versteht man die Ausbreitung städtischer Lebensformen. Diese kann sich einerseits im Wachstum von Städten ausdrücken (physische Urbanisierung oder „Verstädterung“ im engeren Sinne), andererseits durch eine mit städtischen Standards vergleichbare infrastrukturelle Erschließung ländlicher Regionen (funktionale Urbanisierung) und durch verändertes Sozialverhalten der Bewohner von ländlichen Gebieten (soziale Urbanisierung).

Der Prozess der physischen Urbanisierung ist seit Jahrhunderten zu beobachten. Er erreichte einen Höhepunkt in Europa vor allem im späten 19. Jahrhundert und hat in den letzten Jahrzehnten auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern bisher unbekannte Ausmaße angenommen. In den Industrieländern wurde die physische Urbanisierung weitgehend von der funktionalen Urbanisierung abgelöst, das heißt von der Ausbreitung städtischer Lebensformen in benachbarte, bisher ländliche Räume (Suburbanisierung), jedoch ist in den letzten Jahren auch in Industrieländern wieder ein relativer Bevölkerungsgewinn der Städte zu beobachten.

Chinas hat bereits gleich viel Großstädte wie Europa und die USA zusammen

113 Städten mit mehr als einer Million Einwohner in China stehen in Europa und den USA 114 Städte gegenüber, die dem Klub der Millionenstädte zugerechnet werden können. Die 15. Jahresausgabe des „Demographia World Urban Areas Report“  aus dem April 2019 gibt ein eindrucksvolles Ranking der chinesischen Metropolen wider:

Quelle: https://www.visualcapitalist.com/populations-china-india-diverging-demographics/, Zugriff: 28.02.2020

Das massive Ausmaß der innerchinesischen Migrationsbewegung in derart kurzer Zeit ist ein historisches und geographisches Unikat. Es hat nicht nur China verändert, es hat dem Planeten eine neue Weltmacht beschert und das pazifische Zeitalter eingeläutet. Seit 1980 ist in China etwa eine halbe Milliarde Menschen aus ländlichen Gebieten in Städte abgewandert. Dies hat nicht nur einen gewaltigen Bauboom ausgelöst, sondern auch dazu beigetragen, dass in China hunderte von Millionen Menschen der extremen Armut entwachsen sind. Das größte wirtschaftliche Entwicklungsprogramm der Menschheitsgeschichte hat seinen Ursprung nicht zuletzt in dieser gezielten Umsiedelungspolitik.

Die chinesische Zementproduktion im internationalen Vergleich

Nichts bringt die gewaltigen Wachstumsimpulse, die aus der Schaffung dieser urbanen Infrastruktur hervorgingen, besser zum Ausdruck als die chinesische Zementproduktion allein in den letzten paar Jahren. Die folgende Graphik muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:

Quelle: https://www.visualcapitalist.com/populations-china-india-diverging-demographics/, Zugriff: 28.02.2020

Megacities sind definiert als Städte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern. Davon gibt es in China derzeit 10, weitere 6 sind auf dem Sprung dahin. Nachdem sich vor allem im Perlfluss-Delta die Lebens- und Produktionsbedingungen bereits massiv verändert haben und die Preise und Kosten massiv angestiegen sind, findet nun die Ausrollung dieses Prozesses in den Westen des Riesenreiches statt. Dies wird China auf absehbare Zeit weitere Wachstumsimpulse bringen, da die Produktionskosten jenseits der Küstenregion ausgesprochen attraktiv sind und die Wettbewerbsfähigkeit Chinas nicht nur über Technologie, sondern auch über komparative Kostenvorteile sicherstellen wird. Die Anbindung der westlichen Provinzen über die Seidenstraße wird diesen Trend verstärken.

Urbanisierung bringt vielfältige Effekte mit sich, vor allem aber „Urban Scaling“

Seit Jahrzehnten lässt sich beobachten, dass urbane Regionen verstärkte und raschere Wohlstandsgewinne aufweisen als ländliche Regionen („Urban Scaling“). Die Zeit der frühkapitalistischen Massenverelendung durch Landflucht und Entstehung eines ausgebeuteten Proletariats gehört wohl endgültig der Geschichte an. Dies gilt sowohl für Industrie- wie auch für Schwellen- und Entwicklungsländer. Selbst in Slums in den Entwicklungsländern sind die Lebensbedingungen häufig besser als am Land.

Das Phänomen „Urban Scaling“ bewirkt, dass in wachsenden Städten der Wohlstand schneller steigt als die Einwohnerzahl. Dieses Phänomen wird mit den produktivitätssteigernden Wirkungen sozialer Netze in urbanisierten und infrastrukturell verdichteten Siedlungsstrukturen erklärt. China hat das auf exzellente Art und Weise vorgemacht. Das mit Urban Scaling verbundene rasante Wachstum des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf in diesen Ballungszentren hat zum jahrzehntelangen Wachstum des nationalen Bruttoinlandsproduktes einen entscheidenden Beitrag geleistet. Freilich ist Urban Scaling kein Phänomen, das sich auf China beschränkt. Es ist weltweit zu beobachten.

Die entwickelte westliche Welt hat dem demographisch wenig entgegenzusetzen

Europa ist bereit sehr dicht besiedelt. Das Entstehen von Megacities auf der grünen Wiese, wie es in China der Fall war und ist, ist hierzulande undenkbar. Die USA sind nicht gleichermaßen dicht besiedelt, die demographischen Strukturen hinsichtlich Urbanisierung sind aber vergleichbar. Auch die westliche Welt kennt das Phänomen des „Urban Scaling“ und hat über Jahrhunderte davon profitiert. Die Netzwerkeffekte lassen sich auch hierzulande überall feststellen. Nachdem allerdings keine vergleichbar rasante Entwicklung wie in anderen Weltteilen stattfindet (wir haben das schon hinter uns!), bleiben auch Wachstumseffekte aus, die darauf zurückzuführen sind. Nicht zuletzt deshalb leiden wir aktuell unter einer relativen und strukturellen Wachstumsschwäche. Es gibt allerdings noch wesentliche andere Ursachen für diesen Trend, der auch aus einem Politikversagen resultiert.

Es bleibt also die Frage, wie wir den relativen Wachstumsverlust zu anderen Erdteilen, insbesondere zu Asien kompensieren können. Einen Versuch stellt die Erzeugung derartiger Netzwerkeffekte und Produktivitätsgewinne auf anderer Ebene dar. Die EU darf als Versuch gewertet werden, wirtschaftspolitisch genau in dieses Horn zu stoßen. Es zeigt sich allerdings, dass Reibungsverluste und halbherziges Agieren die strategische Nutzung dieser Potenziale behindern. Eine wesentlich schnellere Integration, die Europa als globalen Player stärken könnte, erscheint heute unrealistischer denn je.

Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern

Wikipedia beschreibt diese Unterschiede sehr treffend. Es wird festgestellt, dass die Tendenz zur Urbanisierung beispielsweise in Lateinamerika in den 1920er Jahren ihren Anfang nahm und seit dem zweiten Weltkrieg auf alle anderen Länder übergegriffen hat. Sie verläuft vielerorts allerdings anders als in Europa oder den USA:

„In den Industrieländern wuchsen die Städte im 19. Jahrhundert hauptsächlich durch Zuwanderung infolge der Industrialisierung, weniger durch natürliches Bevölkerungswachstum, stets begleitet von bereits ausgebauten und nunmehr sich anpassenden Verwaltungs- und Rechtsstrukturen. Die städtische Bevölkerung in den Entwicklungsländern wächst wesentlich stärker als in den meisten europäischen Industrieländern, und ohne die kommunalpolitischen Traditionen der „okzidentalen Stadt. … Mit Ausnahme weniger Newly Industrializing Countries (NIC) und Schwellenländer fehlen in den Entwicklungsländern aufeinander abgestimmte, miteinander verknüpfte Formen des sozialen Wandels. Auf den Megastädten der Entwicklungsländer lastet außerdem ein doppelter Druck: die starke Zuwanderung (40–50 % des jährlichen Wachstums) wird von einem noch höheren, wenn auch sich abschwächenden natürlichen Bevölkerungswachstum begleitet. Hinzu kommt, dass der Infrastrukturausbau mit dem Wachstum immer weniger Schritt hält.“

Neben Wachstumseffekten sind auch beträchtliche Vermögenseffekte zu beobachten

Steigende Immobilienpreise sind primär ein Phänomen großer, attraktiver Städte. Dies führt einerseits zu einer verstärkten Vermögensbildung in der Hand der Immobilienbesitzer, andererseits zu einem erhöhten Produktivitätsdruck, da höhere absolute Kapitalkosten im Immobilienbereich von den Unternehmen verdient werden müssen. Diese Produktivitätspeitsche wiederum bewirkt eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit auch an Ansteigen des unternehmerischen Produktivkapitals einer Volkswirtschaft. In zunehmend stärkerem Ausmaß findet sich dieses Produktivkapital jedoch nicht in ausgedehnten Industrieproduktionen (obgleich diese wichtig bleiben), sondern im Dienstleistungs- und Technologiebereich. Dies wiederum erfordert eine Höherqualifikation des Humankapitals, was sich daher primär in den Städten ansammelt, da es dort die entsprechenden Jobs gibt. Der Effekt verstärkt sich selbst. Auch ein neuer Unternehmertyp ist in diesem Umfeld gefragt.

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Und plötzlich ist auch staatliche Technologiepolitik gefragt. Und diese materialisiert sich naturgemäß dort, wo sich ökonomisch hochwertiges Humankapital findet, nämlich in den Ballungsräumen. China macht dies wiederum vor. Neben der Urbanisierung ist die praktizierte, staatskapitalistisch unterstützte Technologiepolitik eine der wichtigsten Säulen des chinesischen Kurses. Seit wenigen Jahren wirkt sich dies vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz aus, wo China eine globale Dominanz anstrebt und auf gutem Weg ist, die USA zu überholen. Europa hat diese Entwicklung bisher weitgehend verschlafen.

Der volkswirtschaftliche Vermögenseffekt dehnt sich damit neben dem Immobiliensektor auf die „Marktkapitalisierung“ der (nicht nur börsennotierten) Unternehmen aus. Es treten selbstverstärkende Effekte auf. Und natürlich tragen auch die privaten Wohlstandsgewinne der Stadtbewohner zu hohen Spar- und Investitionsvolumina bei.

Urbanisierung erklärt, warum China zum Wirtschaftswunder wurde

Natürlich gibt es keine monokausale Ursache für den chinesischen Erfolg seit Mao. Unzweifelhaft hat die Urbanisierung aber ihren Beitrag geleistet. Auf konzentriertem Raum lassen sich auch Reformen und politische Programme viel effizienter umsetzen als in der Fläche. Es bleibt abzuwarten, ob der aktuelle Trend zur Fusion von Megastädten in China diese Effekte verstärken oder konterkarieren wird. Wenn Peking durch die Eingemeindung und Verbindung nahegelegener Städte zu einer Metropolregion mit einer Einwohnerzahl von geplanten 130 Millionen Menschen wird, dann könnte es durchaus sein, dass eine Überdehnung des Trends zur Urbanisierung auch negative Effekte zeitigt. Die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise geht und wo vielleicht natürliche Grenzen der Agglomeration liegen.

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