Die Zukunftsvergessenheit unserer politischen Systeme bedroht nicht nur unseren Wohlstand und sozialen Frieden. Sie führt auch zu Politikverdrossenheit und zu politischem Radikalismus. Der Westen lebt großteils in „fehlgeleiteten Demokratien“, die wir schleunigst sanieren sollten.
Was verstehe ich nun aber unter „fehlgeleitetem Demokratieverständnis“ insbesondere in Hinblick auf Wirtschaftswachstum und Wohlstand? Ich maße mir nicht an, ein generelles Urteil über die Qualität eines politischen Systems abzugeben. Zwecke der Politik sind ja nicht nur Wirtschaft und Wohlstand, sondern auch Friedenssicherung, Umweltpolitik, innere Sicherheit und vieles mehr. Schlussfolgerungen zu ziehen über die Auswirkungen eines Systems für Wirtschaftswachstum und Wohlstand ist aber sicherlich von zentraler Bedeutung. „It´s the economy, stupid!“ war nicht umsonst ein Wahlkampfslogan von Bill Clinton vor 20 Jahren, der Geschichte gemacht hat. Mit diesem Spruch gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen, obwohl sein Vorgänger George Bush ein Jahr zuvor noch Zustimmungsraten von 90% gehabt hatte.
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Als „fehlgeleitete Demokratien“ würde ich nun politische Systeme bezeichnen, welche die Kraft verloren haben, aktiv gestalterisch an der Zukunft zu bauen. Wichtig ist mir, dass der Begriff „fehlgeleitete Demokratie“ weder Demokratie per se in Frage stellen soll, noch etwas mit „failed states“ zu tun hat. Er soll einfach demokratische Systeme beschreiben, die realpolitisch zukunftvergessen agieren, weil scheinbare Sachzwänge oder der Wählerwille nichts Anderes zuzulassen scheinen. Dies mag daran liegen, dass das politische Establishment das Vertrauen der Bürger verloren hat. Oder dass realpolitische Strukturen so festgefahren sind, dass Veränderungen kaum möglich sind. Oder dass Koalitionen nur Minimalkompromisse zulassen, die zwar ein „Durchwurschteln“, nicht aber eine strategische Ausrichtung der Politik zulassen. Wird dann auch noch von den Medien ein Stil gepflegt, der ein dauerhaftes Trommelfeuer an Kritik in den Mittelpunkt der täglichen Berichterstattung stellt („only bad news are good news“), dann tritt situatives Agieren an die Stelle nachhaltiger Politik.
Abgabenquote, Staatsquote und Staatsverschuldung wirken wie ein Fieberthermometer
Diese Politik äußert sich nun insbesondere darin, dass die verschiedenen politischen Aktionsfelder klientelbezogen gestaltet werden und nicht einer übergeordneten Zielsetzung dienen. Auch in sich bilden sie kein geschlossenes Ganzes, wie insbesondere im Bereich der Fiskalpolitik immer wieder zu sehen ist. Übergroße Steuerlasten müssen dann durch großzügige Ausnahmen sowie durch üppige Förder- und Sozialleistungen kompensiert werden, die jedoch nicht passgenau treffen können. „Geschenke“ an die Wähler sind an der Tagesordnung und werden situativ aus der Tasche gezogen, was die Konsistenz des Gesamtsystems weiter untergräbt und die finanziellen Spielräume weiter einschränkt. Strukturreformen unterbleiben, da es dabei ja immer auch Verlierer gibt, die man kurzfristig nicht als Wähler vergrämen will. Staatsausgaben sind aus diesem Grunde auch mehr konsum- als investitionsorientiert. Steigende Staatsverschuldung führt zu immer neuen Sparpaketen bei nicht sinkender gesamtstaatlicher Abgabenquote, was die Stimmung in der Bevölkerung weiter trübt.
Hohe Abgabenquoten (Steuern und Sozialabgaben in % des BIP) dienen sodann der Finanzierung dieser Politik. Regelmäßig liegen dann aber auch noch die Staatsquoten (Staatsausgaben in % des BIP) über den Abgabenquoten, was die Staatsverschulung in die Höhe treibt (zum Vergleich betrachte man exemplarisch im Langfristvergleich die Entwicklung der Staatsverschuldung in Österreich)
Anstatt sich mit derart unpopulären Themen auseinanderzusetzen, diskutieren Politiker dann lieber über Themen, die die Seiten des Boulevards effektvoll und emotionsgeladen füllen und ihre schweißtreibenden Bemühungen um die Volksseele zur Schau stellen. Feminismus auf der linken Seite, Bewahrung der traditionellen Ehe im konservativen Lager und Menschenrechte bei den Grünen mögen nur als Beispiel dienen. Alles Themen, die zwar nicht unbedeutend sind, aber an den Zukunftsfragen unserer Gesellschaft und vor allem den Lebensfragen der Menschen vorbeigehen. Man führe sich vor Augen: „It´s the economy, stupid!“
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Politiker und Staatsmänner sind nicht dasselbe
In diesem Zusammenhang scheint mir auch eine terminologische Differenzierung nötig. Politiker ist ein Beruf, Staatsmann eine Berufung. Ein Staatsmann ist in der Regel ein Staats- oder Regierungschef, der nach Auffassung der öffentlichen Meinung etwas geleistet hat, das über gewöhnliche Politik hinausgeht. Der Begriff Staatsmann ist positiv besetzt und stellt eine respektvolle Bezeichnung dar, die eine große Befähigung und das Einsetzen für das Gemeinwohl impliziert.
Die „neue politische Ökonomie“ versucht mit Mitteln der Wirtschaftswissenschaften das Handeln von Politikern, Parteien, Interessenverbänden und auch Wählern zu untersuchen. Im Sinne dieser Theorie betreiben Politiker ihren Beruf im Sinne einer persönlichen Nutzenoptimierung. Dies wird niemand verwundern und ist grundsätzlich rational, wenn auch wenig idealistisch. In diesem Sinne wollen Politiker wiedergewählt werden und betreiben ihre Politik mit einer kurzfristigen Orientierung. Dies kommt daher, weil Wähler eine starke Gegenwartspräferenz aufweisen. Das Hier und Jetzt ist entscheidend. Außerdem orientieren sich Politiker nach dem Modell der neuen politischen Ökonomie tendenziell am Durchschnittswähler, da sich die Wählermehrheit in der Mitte der Wählerpräferenzverteilung tummelt. Dies gilt sowohl thematisch (Hauptthemen – Nebenthemen) als auch ideologisch (extreme Positionen sind eher ein Minderheitenprogramm). Dadurch wird „Politsprech“ aber auch austauschbar, akzentuierte Positionen verschwinden zugunsten von Beliebigkeit.
Der Oppurtunismus der Politiker
Politiker betreiben ihren Beruf, je nach Hierarchiestufe, wie Sachbearbeiter oder Manager. Und selbstverständlich gibt es wie in Unternehmen auch einen natürlichen Interessenkonflikt zwischen ihren persönlichen Interessen und dem Interesse der Gebietskörperschaft, für die Politiker tätig sind. Der Konflikt ähnelt dem sogenannten „Principal-Agent-Problem“ in der Privatwirtschaft. In der Wirtschaft ist der Principal der Eigentümer des Unternehmens und der Agent der Manager. Deren Interessen sind nicht per se gleichgeschaltet, teilweise können sie auch in Widerspruch zueinander geraten. Diese Interessen in Einklang zu bringen, ist in der Wirtschaft ein theoretisch und praktisch heftig und kontrovers diskutiertes Problem. Westliche kapitalistische Systeme versuchen das primär über materielle Anreizsysteme zu lösen. Asiatische Gesellschaften setzen dagegen sehr stark auf Aspekte der sozialen Kontrolle sowie meritokratische Modelle, wo es vor allem auf Leistung und besondere Verdienste ankommt.
Ebenso wenig sind die Interessen des Politikers und die seines Auftraggebers, sagen wir des Staates, identisch oder auch nur ähnlich. Sowohl der Manager als auch der Politiker versuchen sich im Rahmen ihres Systems rational zu verhalten. Der Manager versucht (modellhaft) im Rahmen dieser Rationalität seinen Job zu behalten, möglichst viel zu verdienen, allenfalls aufzusteigen, an Marktwert zu gewinnen. Das Unternehmen ist hierbei Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Ist die Performance des Managers schlecht, so kann er gefeuert werden. Auch der Politiker verhält sich (modellhaft) zweckrational. Er möchte seinen Job behalten (wiedergewählt werden) und möglichst viel verdienen (direkt oder indirekt). Allenfalls will er auch noch aufsteigen (Abgeordneter oder Minister werden) und seinen Marktwert für die Zeit nach der politischen Karriere aufbauen (allenfalls später als Lobbyist etc.).
Geringe Wahlbeteiligung erfordert eine neue Art der Wählermobilisierung
Während sich der Mainstream der Politik also auf den Weg in die politische Mitte begeben hat, tun sich an den Rändern Räume auf, die von radikalen bis extremistischen Gruppierungen besetzt werden können. Deren Bedeutung nimmt auch noch überproportional zu ihrer Größe zu, da die Politikverdrossenheit des Medianwählers (jener Wähler, der in der politischen Mitte steht) zunimmt und er zunehmend Wahlverweigerung betreibt. Sinkende Wahlbeteiligungen sind die Folge, sofern keine Polarisierung im Wahlkampf stattfindet. Der radikalisierte Wähler geht aber zur Wahl, da das Mobilisierungspotenzial radikaler Gruppen wegen ihrer markanten Positionen deutlich höher ist.
Was unseren westlichen Demokratien zunehmend abhandengekommen ist, ist Zukunftsoptimismus und ein Wertesystem, das auf Autoritäten bauen kann. Ein derartiges Wertesystem kann durchaus pragmatisch sein und unterscheidet sich dadurch wohlwollend von Ideologien, wenn es nämlich nicht nur auf ein ideelles Konstrukt, sondern auch auf Personen und Institutionen abstellt. Es wird dann für die Menschen greifbar, wenn es von Vorbildern wie eben Staatsmännern verkörpert und repräsentiert wird. Manche Menschen lehnen vielleicht den Katholizismus ab, ich kenne aber niemand, der Mutter Theresa ablehnt. Eine Autorität als Staatsmann waren in Deutschland beispielsweise Konrad Adenauer und in den USA die am Mount Rushmore dargestellten Präsidenten.
Was tut eine Katze?
Die systematische Verbindung eines Wertsystems mit Personen und Institutionen wird nirgends in der Welt so klar und programmatisch umgesetzt wie in China. Die Institution des „Paramount Leader“, findet sich eingebettet in die Institutionen des Staates, überragt diese aber gleichzeitig auch in ihrer Symbolik. Gleichzeitig repräsentiert er ein jeweils gegenüber der Vergangenheit mit neuen – teilweise auch nur marginal veränderten – Schwerpunkten versehenes Wertesystem. Der bislang letzte große Vordenker als „Paramount Leader“ Chinas war Deng Xiaoping. Er gilt heute noch als die Autorität, die das aktuelle Denken und Handeln der Menschen massiv prägt. Als marktorientierter Reformer stellte er den Pragmatismus vor die Ideologie: „Egal, ob die Katze weiß oder schwarz ist, Hauptsache ist, sie fängt Mäuse“. Ein passendes Beispiel für ein derartiges System – allerdings ausgestattet mit einem Rechtsstaat nach westlichem Vorbild – ist Singapur. Dort verkörpert der Staatsgründer Lee Kuan Yew diese Symbolfigur. Deng Xiaoping hat sich übrigens Singapur als Vorbild für seine Reformen genommen, die schließlich das China Mao Zedongs revolutionierten.
Eine scharfe, oftmals vor allem in autoritären Staaten nicht einfach zu ziehende Grenze ist die zum Personenkult. Beim Personenkult steht die Person, oftmals auch der Tyrann im – teils auch absolutistischen – Mittelpunkt des politischen Systems. Die Wertewelt und die sonstigen staatlichen Institutionen verlieren der Person gegenüber an Bedeutung.
Politische Autoritäten im zuvor definierten Sinn kann man auch Staatsmänner nennen. „Autorität“ hat übrigens nichts mit „autoritär“ zu tun. Wikipedia definiert Autorität „als soziale Positionierung, die einer Person zugeschrieben wird und die bewirken kann, dass sich andere in ihrem Denken oder Handeln nach ihr richten“. Autoritäten zeichnen sich entweder durch Charisma (wie Stärke, Kompetenz, Tradition oder Offenbarung) oder aber durch anerkanntermaßen besondere Fachkenntnis aus. In diesem Sinne ist Autorität weniger die Eigenschaft einer Person, als vielmehr eine besondere Beziehungsqualität. Diese kommt bei Staatsmännern zustande durch Anerkennung durch das Volk. Wahrgenommene Grundlage für diese Anerkennung sind dann besondere Verdienste. Willkommen in der Meritokratie!
Autoritäre Regime haben mit dem Begriff der Autorität, wie er oben beschrieben wird, nichts zu tun. Sie zeichnen sich nach Wikipedia dadurch aus, dass sie
- die Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung stark einschränken
- öffentliche Willensbildungsprozesse und die öffentliche Auseinandersetzung über politische Entscheidungen stark behindern
- die pluralistische Interessenvielfalt begrenzen.
Sehr wohl können „Autoritäten“ sowohl in demokratischen Systemen als auch in totalitären Systemen vorkommen, wie eben viele andere Dinge auch. Dies sollte aber nicht den Begriff der „Autorität“ verunglimpfen, wie es leider heute immer öfter der Fall ist. Nüchtern muss ich aber auch feststellen, dass nicht nur demokratische Systeme erfolgreich für die überwiegende Mehrheit ihrer Staatsbürger sein können.
Handeln gegen Zukunftsvergessenheit
Ein solches Handeln bedarf natürlich langfristig einer objektivierbaren Grundlage. Einerseits müssen die Menschen wieder spüren, dass es für sie und auch für künftige Generationen aufwärts geht. Andererseits müssen sie an der Spitze des Staates glaubhafte Repräsentanten vorfinden, denen sie Vertrauen entgegenbringen können. Weder abstrakter Optimismus, verpackt in charismatischen Reden (siehe Barack Obama und „Yes, we can“), noch trotziges, rückwärtsgewandtes Poltern (siehe Donald Trump und „America first!“) werden genügen, um eine politische Trendwende einzuleiten. All das kann aber Teil eines ganzen Paketes sein, das ich als „Demokratiereformpaket“ bezeichnen möchte. Es bedarf aber mehr als nur kosmetischer Korrekturen. Wollen wir unser Abdriften in die Mittelmäßigkeit umkehren, dann geht es ans Eingemachte. Dieses Demokratiereformpaket – wie es mir vorschwebt – werde ich demnächst vorstellen.
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