Der moralische Populismus und die politische Korrektheit

Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht. Populismus gehört zum Handwerkszeug demokratischer Politiker. Wenn wahre Motive verschleiert werden, indem die Moralkeule gegen politische Gegner in Stellung gebracht wird, fällt eine Gegenwehr besonders schwer. Die Abkehr von der „Politischen Korrektheit“ ermöglicht aber die Demaskierung von Scheinmoral.

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Liberale Demokratien werden von innen herausgefordert. Neue Bewegungen, die als Massenbewegungen auftreten, und ungeliebte politische Gegner werden als Populisten beschimpft. Selbst etablierte Parteien scheuen sich nicht, „dem Volk nach dem Maul zu reden“, sie wollen ja Wahlen gewinnen. Wer das Prinzip „one man one vote“ vertritt, sollte Populismus nicht ernsthaft ablehnen. Denn Populismus gab es schon immer. In einem früher erschienenen Blogpost habe ich dargestellt, was Populismus ist und wie er seit der Antike regelmäßig als politisches Instrument eingesetzt wurde.

Während in früheren Jahrhunderten politische Revolutionen zumeist gewaltsam abliefen, ist es heute die liberale Demokratie selbst, die gesellschaftliche Veränderungen evolutionär hervorbringt. Und populistische Handlungsmuster sorgen für friedliche Revolutionen an der Wahlurne. Manipulation und Verführung gehören seit jeher zum Repertoire aller politischen Akteure. Populisten sind heute scheinbar immer nur die anderen. Der Begriff wird als Schimpfwort benutzt, um dem politischen Gegner zu unterstellen, mit unlauteren Mitteln die niederen Instinkte der dummen Masse zu bedienen.

Doch diese Sicht der Dinge ist schlicht erbärmlich. Denn die liberale Demokratie buhlt seit jeher um die Stimmen genau dieser Menschen. Wer Populismus ablehnt, versteht nicht, wie Demokratie funktioniert. Populismus darf nur nicht durch Diskussionsverbote unangefochten bleiben. Harter, auch kontroversieller Diskurs ist notwendig – abseits der politischen Korrektheit! Denn die Rückkehr zur faktenbasierten Realpolitik ist unabdingbar.

Der „faschistische“ Populismus von rechts wird dämonisiert

Aktuell gewinnt man den Eindruck, dass vor allem rechte Positionen als gefährlicher Populismus gebrandmarkt werden, der undemokratische, autoritäre oder gar totalitäre Züge trägt. Selbst Mitte-rechts Haltungen werden allenthalben als unmoralisch denunziert. Vor allem in der gefestigten Demokratie Deutschland zeigt sich dieses Bild im Umgang mit der CSU und noch härter mit der AFD. In Österreich ging es der FPÖ lange nicht anders. Auch in anderen europäischen Ländern, von Frankreich über Italien bis Osteuropa zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Der politische Gegner von rechts wird dämonisiert und es wird laufend an gefährliche Entwicklungen aus dem 20. Jahrhundert erinnert, wo in der Tat der Faschismus Europa ins Chaos und in einen grauenhaften zweiten Weltkrieg gestürzt hat.

Dabei wird aber übersehen, dass der moderne rechte Populismus im Stil von Volkstribunen eher einen direktdemokratischen Systemwechsel anstrebt, der die sogenannten liberalen Eliten das Fürchten lehren und sie gleichzeitig entmachten soll. Die breite Masse der Bevölkerung ist dabei für Rechtspopulisten die erforderliche Manövriermasse, die es zu bespielen gilt. Dabei reicht der „rechte“ Bogen von kriminellen rechtsextremen Neonazis über libertäre Staatsgegner bis zu Volkstribunen im Sinne von Donald Trump oder Matteo Salvini. Politische Zielgruppe dieser populistischen Attacke von rechts sind nicht nur konservative Wutbürger, sondern es ist mittlerweile auch die Mitte der Gesellschaft.

Dabei ist die reaktionäre Bunkerstimmung, die sich in Europa und auch in den USA mittlerweile breitgemacht hat, die Antwort auf die liberale Hybris der letzten drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Denn unsere etablierten Eliten haben es verabsäumt, das Versprechen laufend steigenden Wohlstands für breite Bevölkerungskreise spürbar werden zu lassen. Eine Politik der Besitzstandswahrung kostet uns Wachstum und Wohlstand. Ganz anders ist die Situation in Asien, wo Menschen selbst Einschränkungen ihrer individuellen Freiheit in Kauf nehmen im Abtausch gegen einen auf breiter Basis stattfindenden Wohlstandgewinn.

Hat der Auschwitz-Überlebende Arik Brauer Recht oder Unrecht, wenn er anlässlich des Ausschlusses rechts-konservativer Parteien von den Holocaust-Gedenkfeiern 2018 meinte, man dürfe nicht der politischen Korrektheit das Feld des Dialogs überlassen? Man müsse im Gegenteil gerade mit jenen politisch ausdrücklich “Rechten” reden, die die offene Gesellschaft ablehnen und die es – seiner Meinung nach – also von ihr zu überzeugen gilt. Er meint, dass es ein Fehler sei, sie vom demokratischen Gespräch eben wegen ihrer Grundhaltung gegen die offene Gesellschaft auszuschließen, wie es in Zeiten wachsender Unsicherheit und Volatilität verstärkt geschieht.

Der „moralische“ Populismus von links verkörpert die Gegenposition

Der moralische Populismus steht hoch im Kurs. Die deutschen Grünen beherrschen ihn beispielsweise perfekt. In dieser Art des Diskurses ist Differenzierung unerwünscht. Bei dieser Spielart des linken Populismus geht es darum, aktuelle Stimmungen in der Bevölkerung aufzunehmen, die der eigenen Position entsprechen. Sodann werden politische Handlungen aus der Opposition heraus eingefordert und mit moralischen Argumenten unterfüttert. Wer dagegen ist, muss ein Schwein sein.

Ein Beispiel dafür ist die Flüchtlingskrise, bei der es darum ginge, „Menschen vor dem Ertrinken zu retten“ (und argumentativ nicht darum, sie nach Deutschland zu bringen und damit Integrationsprobleme zu erzeugen). Ein anderes Beispiel ist der Klimanotstand, dessen Bekämpfung „durch CO2-Reduktion in Deutschland über Verhaltensänderung“ alternativlos sei (und nicht massive Wohlstandseinbußen und Preiseffekte zu thematisieren, die es ebenfalls zu bedenken gilt). Klimaschutz könnte man alternativ durch technologische Innovationen und multilaterales Handeln entgegenwirken, zumal Deutschland nur zu zwei Prozent am globalen CO2“-Ausstoß beiträgt. Aber Komplexität ist der Feind einfacher Botschaften.

Bei dieser Variante des Populismus bleibt die halbe Wahrheit auf der Strecke, appelliert wird vor allem an das natürliche Moralempfinden der Wähler. Störende Konsequenzen der eingeforderten Handlungen werden bewusst nicht thematisiert. Die einfache Botschaft genügt, um entweder als „Gutmenschen“ Sympathien einzusammeln oder Notsituationen heraufzubeschwören, die keine Alternative zum geforderten politischen Handeln erlauben. Wer dagegen ist, wird als moralisch verkommen hingestellt. Früher schlugen die deutschen Grünen noch konkrete Maßnahmen vor, wie beispielsweise zahlreiche Verbote, einen Spritpreis von 5 Euro oder einen Veggie-Tag in allen Kantinen. Das bekam ihnen nicht gut, sie lagen bei rund fünf Prozent an den Wahlurnen. Sie sind nun klüger geworden und liegen bei rund 25% in den Umfragen.

Übersetzt auf die Politik sieht das dann so aus: Mehrheiten gewinnt, wer glaubhaft einen Wert vertritt, der gerade die Zustimmung der Menschen hat, und wer sich nicht in das chaotische Feld der konkreten Widersprüche verwickeln lässt. Aktuell ist der Einsatz einer lautstarken Wertehupe ohne lästige Nebentöne zu beobachten. Aber wenn es uns nicht gelingt, reale fühlbare Ergebnisse durch Politik zu erzielen anstatt reine Wählerstimmenmaximierung zu betreiben, dann steht unser Gesellschaftsmodell auf dem Spiel.

Wer zu konkret wird, hat schon verloren

Für linke Moralpopulisten gilt: Würde man in einer Konsumentendemokratie vorrechnen, was Heizen, Verkehr, Ernährung und Produktion tatsächlich kosten würde, wenn die CO2-Emission einen verhaltenssteuernden Preis bekäme, wären Wählerstimmen sofort verloren. Würde man vorschlagen, dass der Zustrom an Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika durch Flugzeuge direkt nach Deutschland erfolgen sollte (was den Migranten bedeutend billiger käme als das Bezahlen von Schleppern) und niemand mehr ertrinken würde, hätte man massive Gegenwehr zu verspüren. Bilder von toten Schlepperopfern emotionalisieren bedeutend mehr als Sachargumente und regen weniger zum Widerspruch an.

Für rechte Nationalpopulisten gilt: Würde man den Wählern erklären, dass ein Austritt aus der EU oder dem Euro vor allem für die Bürger von wirtschaftlich schwächeren Ländern einen extremen Preis hätte, den man für mehr Eigenständigkeit zu zahlen bereit sein müsste, dann würde dies kaum noch jemand wollen. Würde die AFD in Deutschland ihren Wählern erklären, dass die deutsche (Auto)industrie ohne die Einbindung in den wirtschaftlichen Machtblock EU sowohl einem Präsident Trump als auch einem erstarkenden China nichts entgegensetzen könnte, dann wäre der stumpfe Nationalismus schnell erledigt.

Gesinnungsethik ist für linke Populisten bedeutend einfacher zu verkaufen als Verantwortungsethik. Denn Gesinnungsethik muss die Konsequenzen des Handelns nicht berücksichtigen. Rechte Populisten nützen hingegen weidlich aus, dass reaktionäre Bunkerstimmung sich an menschlichen Grundeigenschaften wie dem Streben nach Sicherheit und Überschaubarkeit orientiert. Einfache Botschaften wirken. Das gilt umso mehr wenn in einer veränderten Medienwelt, in der kritischer, durchaus auch auf simplem Niveau möglicher, kontroversieller Diskurs immer seltener wird. In einer Welt, in der soziale Medien Informationsblasen aufbauen, die sich einseitig nur an den Persönlichkeitsprofilen und Präferenzen der Nutzer orientieren, fehlt die ungeschminkte Diskussion.

Politische Korrektheit sollte entsorgt werden

Der steigende Einfluss politischer Korrektheit in der öffentlichen Meinung sowie in Medien, Bildung und Eliten stärkt die Populisten. Politische Korrektheit ist im Gegensatz zu den direkten, ja brachialen populistischen Rhetoriken, aber ähnlich wie die Blaseninformation sozialer Medien, ein “Verdünnungselement” faktenbasierter Verantwortungsethik. Sie wirkt indirekter und unterschwelliger, aber deshalb nicht weniger effizient.

Politische Korrektheit führt zu Ausschlussmechanismen aus dem gemeinsamen öffentlichen Gespräch, die unterschwellig funktionieren, indem sie Moral und Humanität einseitig als “menschliche” Überlegenheit für sich vereinnahmen. Dieser Überlegenheit ist durch gegenteilige Argumentation in Sachfragen nicht beizukommen, da sie ein Metaelement darstellt, das implizit absolut funktioniert und daher auch die Spielregeln für den politischen Gegner festzulegen versucht.

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Intellektuelle und Gelehrte wie der schottische Historiker Niall Ferguson oder der Direktor des Instituts für Europastudien der Oxford Universität, Timothy Garton Ash, klagen deshalb über die immer stärkere Verengung des Gesprächs in offenen Gesellschaften, was Demokratie in ihren Grundideen auszuhebeln droht. Gerade in Zeiten einer Re-Ideologisierung demokratischer Gesellschaften ist harter, sogar hemmungsloser Diskurs eine Notwendigkeit, um die jeweils zweite, die verdeckte Seite populistischer Halbwahrheiten aufzudecken. Denn ohne Thematisierung der ganzen Wahrheit entwickelt sich unsere Demokratie in die falsche Richtung und gefährdet unsere Zukunft.

Garton Ash sieht „Populisten“ und „Politisch Korrekte“ (die sich auch in ehemals staatstragenden politischen Parteien der gesellschaftlichen Mitte finden) gleichermaßen auf dem Weg zum Ausschluss des anderen. Das ist ein Problem sowohl für die Linke wie für die Rechte, keineswegs nur für eines der beiden politischen Lager. Wie die ehemals großen Volksparteien lehren, ist die ideologische Teilung in links und rechts eher eine Typologie aus dem 20. Jahrhundert und trägt der zunehmenden Zersplitterung des Wählervolks in Kleingruppen nicht mehr ausreichend Rechnung.

Deshalb müsse, so Garton Ash, im Gegenzug zum heutigen Trend das allermeiste im Dialog zugelassen und auch noch die anstößigste Meinung diskutiert – und der Diskussion aktiv für Wert befunden werden. Dazu brauche es jedoch eine neue Streitkultur für das “Shitstorm-Zeitalter”, weil heute der Streit in anonymen Massen-Foren so geführt werden kann, dass informeller Druck ausgeübt und “Entrüstung” so geschürt wird, dass politische Korrektheit andere Elemente überlagern und zu vorauseilender Selbstzensur führen kann.

Harte Auseinandersetzungen UND politisches Zuhören gehören zur Demokratie

Die politische Diskussion droht heute zur Konfrontation zwischen “unversöhnlichen” Lagern zu werden. Diese hören sich gegenseitig nur mehr der Form nach zu, sind aber in Wirklichkeit nicht am Argument des anderen interessiert, sondern vielmehr zentral an seiner De-Legitimation. Dies, weil sie immer stärker “Wahrheit” ausschließlich für sich beanspruchen. Je stärker die Emotionen hochschwappen und “Entrüstung” zum politischen Stilmittel wird, umso mehr wird seitens der Linken der politische Gegner dämonisiert und seitens der Rechten die Opferrolle von meinungsmäßig Unterdrückten eingenommen.

Doch “Entrüstung” sollte ein Mittel des Kampfes von Dissidenten in geschlossenen Gesellschaften sein, nicht ein Instrument des politischen Kampfes in offenen Gesellschaften. Wegen der von „Politisch Korrekten“ laufend zelebrierten De-Legitimationsmechanismen droht laut dem italienischen Philosophen Cacciari der Demokratie heute ausgerechnet ihr einziges und wichtigstes Energiereservoir ausgehen, über das sie im Unterschied zu geschlossenen und autoritären Gesellschaften verfügt: nämlich das aufeinander zugehende Gespräch unter “fundamental Andersartigen”.

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