Substanzgenussrechte – ein flexibles, punktgenaues Finanzierungsinstrument 🎯

Substanzgenussrechte nach österreichischem Recht – wozu dienen sie?

Substanzgenussrechte stellen ein flexibles Instrument zur Beteiligung an ErtrÀgen und Substanzwerten dar, ohne dass dem Berechtigten gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte zukommen. Sie können nach österreichischem Recht auf zwei unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen beruhen: den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen des ABGB oder den spezialgesetzlichen Regelungen des Aktiengesetzes (AktG).

In Deutschland sind Substanzgenussrechte rechtsdogmatisch anders umgesetzt, es lassen sich jedoch praktisch dieselben Wirkungen erzielen wie in Österreich. In der Folge beziehe ich mich in meiner Darstellung auf österreichisches Recht.

Beide AnsĂ€tze unterscheiden sich in Rechtsnatur, Ausgestaltung und Anwendungsbereich, was insbesondere auch fĂŒr PPP-Strukturen („Public Private Partnership“ oder„PPP“ ist eine langfristige Kooperation zwischen dem öffentlichen Sektor und privaten Unternehmen, um öffentliche Aufgaben, GĂŒter und Dienstleistungen zu planen, zu finanzieren, zu errichten, zu betreiben und zu verwalten) von praktischer Bedeutung ist.

Ein flexibles, mezzanines Finanzierungsinstrument fĂŒr Unternehmen

Als Instrument der Unternehmensfinanzierung eignet sich das Substanzgenussrecht vor allem deshalb, da den unterschiedlichen BedĂŒrfnissen der Beteiligten durch eine Ă€ußerst flexible Vertragsgestaltung perfekt Rechnung getragen werden kann. Der Unternehmer behĂ€lt das Heft des Handelns in der Hand, der Substanzberechtigte muss sich nicht in eine unternehmerische Rolle begeben und kann dennoch an sĂ€mtlichen ErtrĂ€gen und Wertsteigerungen teilhaben. Da es sich regelmĂ€ĂŸig steuerlich um ErtrĂ€ge aus Kapitalvermögen (und nicht um gewerbliche EinkĂŒnfte) handelt, lassen sich EinkĂŒnfte wie DividendenertrĂ€ge (ohne Verlustbeteiligung und ohne Nachschusspflicht behandeln.

Substanzgenussrechte nach ABGB (Allgemeines bĂŒrgerliches Gesetzbuch)

Die „allgemeinen“ Genussrechte sind in den §§ 509 bis 510 ABGB geregelt:

▶§ 509 ABGB: “Durch den Genussvertrag wird jemand berechtigt, die FrĂŒchte einer Sache oder eines Rechts zu ziehen, ohne dass er EigentĂŒmer derselben wird.”

▶§ 510 ABGB: “Der GenussempfĂ€nger ist verbunden, die Substanz der Sache zu erhalten, und sie nach Erlöschen seines Rechtes zurĂŒckzugeben.”

Diese Bestimmungen erinnern an das Instrument des Fruchtgenussrechts. Substanzgenussrechte unterscheiden sich vom Fruchtgenuss jedoch insbesondere dadurch, dass sie typischerweise als beteiligungsĂ€hnliches, „mezzanines Finanzierungsinstrument“ in einem gesellschaftsrechtlichen Kontext eingesetzt werden. Ein „mezzanines Finanzierungsinstrument“ ist ein Kapital, das zwischen Eigen- und Fremdkapital anzusiedeln und den wirtschaftlichen Eigenmitteln einer Gesellschaft zuzuordnen ist.

Obige Bestimmungen bilden die zivilrechtliche Grundlage fĂŒr rein schuldrechtliche Genussrechte („obligatorisches Genussrecht“, darĂŒber handelt der gegenstĂ€ndliche Beitrag nicht!) oder dinglich (mit Beteiligung an der Substanz) ausgestaltete Substanzgenussrechte. In der Praxis handelt es sich regelmĂ€ĂŸig um vertraglich vereinbarte Rechte auf Gewinnbeteiligung oder Beteiligung am Unternehmenswert (ohne direkte Verlustbeteiligung). Der Inhaber erhĂ€lt keine gesellschaftsrechtliche Stellung und somit keine Stimmrechte oder direkte Einflussmöglichkeiten auf die GeschĂ€ftsfĂŒhrung. Die Ausgestaltung ist weitgehend dispositiv, also durch Parteivereinbarung flexibel gestaltbar. In der Praxis erhalten (volumensmĂ€ĂŸig wesentliche) Substanzrechtsinhaber aber vertraglich eingerĂ€umte Zustimmungsrechte, die auch sehr weitreichend sein können (Ă€hnlich wie in BankvertrĂ€gen).

Substanzgenussrechte nach Aktienrecht

Das aktienrechtliche Substanzgenussrecht ist in § 174 AktG geregelt:

▶§ 174 Abs. 1 AktG: “Die Satzung kann vorsehen, dass mit einem Genussrecht AnsprĂŒche auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös verbunden sind oder dass dem Inhaber sonstige vermögensrechtliche AnsprĂŒche gegen die Gesellschaft zustehen.”

▶§ 174 Abs. 2 AktG: “Genussrechte dĂŒrfen keine Mitgliedschaftsrechte gewĂ€hren.”

Diese Regelung ist speziell auf Aktiengesellschaften zugeschnitten und bietet eine formalisierte Möglichkeit, wirtschaftliche Beteiligungen ohne Stimmrechte zu schaffen. Insofern Ă€hneln sie hinsichtlich des Einflusses den stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Das Substanzgenussrecht nach AktG wird in der Satzung oder durch Beschluss der Hauptversammlung eingerĂ€umt und kann in Kapitalmarktkonstruktionen oder Unternehmensfinanzierungen mit börsennotierten Gesellschaften eingesetzt werden. Substanzgenussrechte unterscheiden sich von Vorzugsaktien jedoch insbesondere dadurch, dass sie typischerweise als beteiligungsĂ€hnliches, „mezzanines Finanzierungsinstrument“ eingesetzt werden. Ein „mezzanines Finanzierungsinstrument“ ist ein Kapital, das zwischen Eigen- und Fremdkapital anzusiedeln und den wirtschaftlichen Eigenmitteln einer Gesellschaft zuzuordnen ist.

Anwendbar sind aktienrechtliche Substanzgenussrechte „per analogiam“, also im ĂŒbertragenen Sinn, auch fĂŒr andere Rechtsformen wie insbesondere die GmbH. Die Formvorschriften sind in diesem Fall aber regelmĂ€ĂŸig nicht so streng wie bei börsennotierten Aktiengesellschaften.

Vergleich beider Substanzgenussrechte

Der wesentliche Unterschied liegt in der Rechtsnatur und Formgebundenheit:

▶▶▶ABGB-Substanzgenussrecht:

âŻïžRechtsgrundlage: §§ 509 ff ABGB;

âŻïžForm: zivilrechtlicher Vertrag, formfrei, flexibel gestaltbar;

âŻïžAnwendungsbereich: alle Rechtsformen wie z.B. GmbH, Genossenschaft, öffentliche Körperschaften, SPV (“Special Purpose Vehicle“, Projektgesellschaft);

âŻïžKeine gesellschaftsrechtliche VerschrĂ€nkung erforderlich; ideal fĂŒr maßgeschneiderte PPP-Strukturen („Private Public Partnership“) und SPV-Modelle;

▶▶▶Aktienrechtliches Substanzgenussrecht:

âŻïžRechtsgrundlage: § 174 AktG;

âŻïžForm: satzungsmĂ€ĂŸige Regelung, erfordert AG-Struktur oder analoge Anwendung wie z.B. bei GmbH, eher formaler Rahmen, besonders geeignet fĂŒr grĂ¶ĂŸere, kapitalmarktfĂ€hige Projekte;

âŻïžHöhere Transparenzanforderungen und allfĂ€llige Prospektpflichten bei Emission;

WĂ€hrend das ABGB-Modell mehr FlexibilitĂ€t bietet, ist das aktienrechtliche Modell stĂ€rker reguliert und primĂ€r fĂŒr öffentliche Kapitalmarktfinanzierungen geeignet.

Anwendung im Kontext von PPP-Projekten

Im Rahmen von PPP-Projekten hÀngt die Wahl der Ausgestaltung vom Charakter des Projekts und der Beteiligungsstruktur ab:

Die ABGB-Variante ist empfehlenswert, wenn das PPP-Projekt ĂŒber ein SPV oder eine GmbH organisiert ist. Sie eignet sich besonders fĂŒr BĂŒrgerbeteiligungsmodelle. Die Einbindung institutioneller Investoren (mit anderen Konditionen) und fĂŒr flexible Kapitaltranchierungen ist gleichfalls möglich und oft sinnvoll.

RegelmĂ€ĂŸig ist bei der ABGB-Variante keine Änderung der GesellschaftsvertrĂ€ge/Satzungen zwingend erforderlich, auch wenn sie sich oftmals aus GrĂŒnden der Rechtssicherheit, aus TransparenzgrĂŒnden und GrĂŒnden der Corporate Governance empfiehlt. Eine rasche und kostengĂŒnstige Implementierung ist möglich.

Die aktienrechtliche Variante ist sinnvoll bei großen, kapitalintensiven Infrastrukturprojekten mit börsennotierten Beteiligungsgesellschaften oder ins Auge gefassten öffentlichen Emissionen. Sie eignet sich insbesondere fĂŒr strukturierte, prospektpflichtige Emissionen an institutionelle Investoren, ist aber zumeist aufwendiger in der Umsetzung.

FĂŒr die meisten österreichischen PPP-Modelle – insbesondere im kommunalen oder landesnahen Bereich – ist daher die Ausgestaltung nach §§ 509 ff ABGB die praktikablere und eine rechtlich wie wirtschaftlich flexible Lösung.

Fazit

Das Substanzgenussrecht nach ABGB bietet oftmals, insbesondere im PPP-Kontext aufgrund seiner FlexibilitĂ€t und RechtsformneutralitĂ€t klare Vorteile. Es erlaubt sowohl BĂŒrgerbeteiligung als auch großvolumige institutionelle Investitionen, ohne dass Kontrollrechte abgegeben werden. Das aktienrechtliche Substanzgenussrecht ist demgegenĂŒber stĂ€rker formalisiert und vor allem fĂŒr Projekte geeignet, die ĂŒber Aktiengesellschaften oder börsennotierte Vehikel abgewickelt werden.

Richtig ausgestaltet reduziert das Substanzgenussrecht im PPP-Kontext die Verschuldung, schafft budgetĂ€re SpielrĂ€ume und nutzt privatwirtschaftliche Synergie- und Effizienzpotenziale OHNE AUFGABE DER KONTROLLE durch die öffentliche Hand. Eine Win-win-Situation fĂŒr alle, vor allem aber auch fĂŒr die BĂŒrger.

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