Das Geschäftsmodell der Plattformen revolutioniert die Wirtschaft

Plattformen entstehen nicht nur als Startup. Längst haben Industrieunternehmen das Geschäftsmodell für sich entdeckt. Datengetriebene Geschäftsmodelle bilden die Grundlage für die Digitalisierung der Wirtschaft. Im Zentrum stehen unterschiedliche Typen von Plattformen.

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Der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts dreht sich um einen Rohstoff, der in der Vergangenheit noch nie eine derartig überragende Rolle hatte wie heute. Dieser Rohstoff heißt „Daten“. Die Generierung dieses wertvollen Gutes erfolgt in zunehmendem Maße über Plattformen. Schon heute beeinflussen sie unser Leben direkt und unmittelbar. Viele sprechen heute von Digitalisierung. Wenige haben aber wirklich verstanden, dass dies nicht nur ein weiteres Instrument ist, das die Technologie mit sich bringt. Die Digitalisierung ist eine logische Fortentwicklung des (Finanz)kapitalismus. Daher wird sie auch unsere Gesellschaftssysteme unumkehrbar verändern.

Daten sind zunächst einmal nur Fakten. Zu Wissen werden sie erst, wenn sie entsprechend aufbereitet und in einen konkreten Erklärungszusammenhang gestellt werden. Gigantische Datenmengen werden heute gesammelt, gespeichert, aufbereitet und einer teilweise auch bereits konkreten Nutzung zugeführt. So kann es nicht weiter verwundern, dass diese Arbeit nur mehr in einem geringen Ausmaß von Menschen vorgenommen wird. Es sind Algorithmen, die zunehmend diese Aufgabe übernehmen. Diese Algorithmen sind häufig bereits „intelligent“. Nicht nur Plattformen nutzen daher immer öfter künstliche Intelligenz, um das erledigen zu können.

Aber es bedarf auch eines materiellen Mediums, um der Datenflut Herr zu werden. Sensoren erfassen Daten, Speichermedien bewahren die Daten auf. Maschinen werden von ihnen gesteuert. Und der Treibstoff dieser Prozesse ist Strom. Das Internet ist nach aktuellen Schätzungen bereits für rund zehn Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Die meisten Daten müssen standardisiert verfügbar gemacht werden, um sie zu nutzen. In diesem Sinn sind Daten das Rohmaterial, das zunächst aus der realen Welt extrahiert und dann in der Folge verarbeitet wird.

Im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts erfüllen Daten ganz unterschiedliche Funktionen. Sie verschaffen Wettbewerbsvorteile, trainieren selbstlernende Algorithmen, ermöglichen schlanke Produktionsmethoden und Outsourcing. Sie erlauben die Optimierung und Flexibilisierung von Produktionsprozessen. Das neue Geschäftsmodell, das dies optimal ermöglicht, ist das der Plattform. Plattformen versuchen, immer größere und komplexere Datenmengen zu extrahieren, zu analysieren und zu nutzen. Dabei spielt der Gedanke der Monopolisierung von Daten eine immer wichtigere Rolle.

Plattformen sind mächtige digitale Infrastrukturen

Diese digitalen Infrastrukturen positionieren sich als Vermittler und ermöglichen verschiedenen Nutzergruppen, miteinander zu interagieren. Viele Unternehmen haben Plattformen bereits in ihre Geschäftmodelle integriert. Es seien hier nur einige bekannte Beispiele genannt: große Technologieunternehmen wie Google, Facebook, Amazon oder Apple; Startups wie Uber oder Airbnb; industrielle Schwergewichte wie General Electric oder Siemens; landwirtschaftliche Riesen wie Bayer-Monsanto oder John Deere.

Plattformen bieten ihren Nutzern einzigartige Vorteile. Diese müssen Marktplätze oder Infrastrukturen nicht selbst aufbauen, sie können sie einfach nutzen. Eine Plattform wird umso attraktiver, je mehr Teilnehmer sie aufweisen kann. Dadurch entstehen Netzwerkeffekte. Bereits bestehende Infrastruktur lässt sich so problemlos skalieren, womit die Grenzkosten für die Betreiber stark degressiv sind bzw. teilweise gegen Null gehen. Das erklärt das exponentielle Wachstum erfolgreicher Plattformen. Und Plattformen müssen nicht an jeder Nutzergruppe verdienen. Facebook ist für private Nutzer gratis, da Werbetreibende für die Erträge sorgen. Quersubventionierung unterschiedlicher Nutzergruppen ist die logische betriebswirtschaftliche Konsequenz. Preise können fein justiert und die Nutzungsregeln laufend angepasst werden, um die Transaktionswahrscheinlichkeit der Plattformnutzer zu optimieren und damit die Plattform attraktiver zu machen. Uber verändert beispielsweise die Preise laufend dynamisch. Amazon Prime ist bei jeder Transaktion verlustträchtig für die Plattform, dennoch steigt dadurch die Attraktivität der Gesamtplattform.

Dadurch unterscheidet sich die betriebswirtschafliche Logik von Plattformen fundamental von den sogenannten „schlanken Geschäftsmodellen“, die die letzten Jahrzehnte dominiert haben. Nicht mehr unbedingt die Konzentration auf die Kernkompetenzen, aktives Portfoliomanagement und die Maximierung der Profitabilität führt bei Plattformen zum Erfolg. Es ist die Maximierung der Netzwerkeffekte, die langfristig den Wert einer Plattform ausmachen. Und das wiederum macht Plattformen zu perfekten Geschäftsmodellen für die Gewinnung und Kontrolle von Daten – dem wichtigsten Rohstoff einer digitalen Welt. Indem Plattformen Interaktionen zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen ermöglichen, bringen sie sich selbst in die Lage, nutzergenerierte Daten zu gewinnen und über maschinelles Lernen Erkenntnisse daraus zu ziehen. Diese völlig neue Art der Wissensgewinnung gewinnt unter dem Überbegriff „künstliche Intelligenz“ rasend schnell an Bedeutung.

Verschiedene Plattformtypen haben sich bislang entwickelt

Nick Srnicek unterrichtet digitale Ökonomie am renommierten King´s College in London. In seinem jüngsten Buch „Plattform-Kapitalismus“ unterscheidet er fünf Grundtypen von Plattformen, die auch in hybriden Formen vorkommen können. Als ersten Typus nennt er die „Werbeplattformen“ wie Google und Facebook. Der zweite Typus sind „Cloud-Plattformen“ wie Amazon Web Services oder Salesforce. Der dritte Typus sind sogenannte „Industrieplattformen“ wie General Electric oder Siemens. Den vierten Typus bilden „Produktplattformen“ wie Rolls Royce oder Spotify. Als fünften Typus nennt er schließlich sogenannte „schlanke Plattformen“ wie Uber oder Airbnb.

Das Paradebeispiel einer hybriden Plattform ist beispielsweise Amazon. Amazon ist ein klassisches e-commerce-Unternehmen, aber auch eine Logistikfirma. Aber auch der wachsende On-Demand-Markt für Home Services wird in Zusammenarbeit mit TaskRabbit bearbeitet. Der Amazon Mechanical Turk gilt zurecht als Vorläufer der heutigen Gig-Ökonomie. Schließlich ist – wie zuvor erwähnt – Amazon Web Services eine klassische Cloud-Plattform.

Mit Werbeplattformen hat alles begonnen

Werbeplattformen haben lange danach gesucht, wie sie ihr Geschäftsmodell monetarisieren können. Zunächst waren es reine Datensammler, finanziert durch billiges Geld von den Kapitalmärkten zu Zeiten der Dot-Com-Blase. Daten sollten die Dienstleistung verbessern, stellten aber zunächst keine Basis für Einnahmen dar. Als diese Quelle versiegte, sorgten Werbeeinnahmen für den nötigen Cashflow. Google stellte im Oktober 2000 gerade noch rechtzeitig AdWords vor. Heute erzielen Google und Facebook mehr als neunzig Prozent ihrer Einnahmen aus Werbung. Nutzergenerierter Content macht beide Plattformen zu riesigen Medienunternehmen, ohne dass dafür Journalisten beschäftigt werden. Nutzer zahlen für die Nutzung der Plattformen mit ihren Daten und Inhalten.

Den Werbetreibenden stellen sie dafür im Auktionsverfahren Werbeflächen zur Verfügung. Dazu müssen sie nicht einmal die Userdaten weitergeben. Es genügt das Versprechen, aufgrund intelligenter Algorithmen passgenau und zielgruppenspezifisch die relevanten Kunden ihrer Werbetreibenden zu erreichen. Entscheidend ist also im Endeffekt nicht das Sammeln von Daten, sondern deren intelligente Aufbereitung und Nutzbarmachung.

Cloud-Plattformen sind ebenfalls um die Jahrtausendwende entstanden

Amazon beschäftigt –übrigens ganz anders als Alibaba – mittlerweile einschließlich Saisonkräfte fast 300.000 Mitarbeiter weltweit. Es ist eines der großen Logistikunternehmen der Welt mit Lagerhäusern, Rechenzentren, Drohnen, Robotern, Flugzeugen und vielen Konzernunternehmen, die logistische Aufgaben erledigen. Zum Managen dieser gigantischen Hardware wurde Amazon Web Services (AWS) als zunächst interne Plattform entwickelt. Dabei wurde AWS so konzipiert, dass neue, auch unternehmensfremde Dienstleistungen leicht andocken konnten. Heute wird Rechenleistung, Tools für Softwareentwicklung und auch vielfältige Applikationen an Dritte vermietet. Kunden können Leistungen bei Bedarf einfach mieten und erhalten dadurch ein immer wichtigeres Produktionsmittel. Dadurch werden wiederum Daten für Amazon generiert, wodurch die Plattform leistungsfähiger wird.

Adobe, Google und Microsoft bieten Software im Subskriptionsmodell als Abo an. Google verkauft seine Prozesse für maschinelles Lernen, Microsoft hat eine Plattform für künstliche Intelligenz aufgebaut („Intelligenz als Dienstleistung“). Unternehmen können ganze IT-Abteilungen outsourcen. Während beim Kauf von IT-Infrastruktur die Daten beim Käufer bleiben, wandern diese bei Cloud-Plattformen auch zum Vermieter. Er generiert immer mehr Daten, die wiederum seine Algorithmen intelligenter machen. AWS hat heute eine Gewinnmarge von 30% und ist damit das am schnellsten wachsende und profitabelste Geschäftsfeld von Amazon. Aber auch die Abhängigkeit der Kunden steigt. Cloud-Plattformen sind perfekt beim Thema Kundenbindung, da oft die Organisation ganzer Geschäftsprozesse beim Kunden auf das Angebot der Plattform zugeschnitten ist.

Industrieplattformen bilden die Basis von Industrie 4.0

Das Internet der Dinge (IoT – Internet of things) bietet die Basis für Industrie 4.0 und wird als industrielles Internet Produktionsprozesse optimieren. Zu diesem Zweck werden Sensoren, Computerchips, RFID und intelligente Algorithmen dafür eingesetzt, dass einzelne Komponenten im Produktionsprozess mit anderen Komponenten kommunizieren können. Dazu werden Produktionsprozesse effizienter gemacht, Kosten und Stillstandszeiten von Anlagen reduziert. Es werden aber auch Nutzungsdaten dafür verwendet, bestehende Produkte zu verbessern und neue Produkte zu entwickeln.

Damit dies optimal funktionieren kann, muss ein gemeinsamer Kommunikationsstandard entwickelt werden, damit ganz unterschiedliche Systemelemente miteinander Daten austauschen können. Die großen Gewinner werden industrielle Plattformen sein. Führend arbeiten General Electric und Siemens jeweils in Konsortien daran, als Sieger aus diesem Rennen hervorzugehen. Dieser Wettbewerb spiegelt auch den Wettbewerb der großen Wirtschaftsblöcke USA und Europa wider. Während die USA traditionell stark im Technologiebereich sind, ist es Deutschland vor allem in der traditionellen Produktion.

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Siemens hat MindSpere aufgebaut und entwickelt dies weiter, GE arbeitet an Predix. Da dieses Feld eine klassische Domäne etablierter Unternehmen ist und Milliardeninvestitionen erfordert, bleibt derzeit für Startups wenig Raum. Alleine der Geschäftsbereich Flüssiggas von General Electric sammelt bereits so viele Daten wie Facebook. Beide Industriegianten bieten auch bereits Cloud-Services für Dritte an. Im Gegensatz zu generalistischen Cloud-Plattformen wie AWS werben Industrieplattformen mit dem speziellen Insiderwissen aus Fertigungsprozessen. Die Industrieplattformen wollen sich schließlich als Vermittler zwischen Produzenten, App-Entwicklern und Konsumenten positionieren. Auch die Konsumenten spielen eine wichtige Rolle, da zahlreiche Sensoren direkt beim Endnutzer wertvolle Daten liefern, beispielsweise über intelligente Heizsysteme. Besonders bei Industrieplattformen treten Monopolisierungstendenzen klar hervor. Der Digitalvorstand von GE meint: „Der Gewinner bekommt alles.“ Netzwerkeffekte spielen hier eine ganz besondere Rolle. Gemäß Prognosen wird dieses Geschäftsfeld von General Electric im Jahr 2020 rund 225 Milliarden US Dollar wert sein.

Produktplattformen

Produktplattformen verfolgen das Geschäftsmodell „Waren als Dienstleistungen“. Dazu besitzen sie Produktionsmittel (ähnlich wie Cloud-Plattformen). Zipcar, ein Fahrtendienstleister vergleichbar mit Uber, zählt beispielsweise zu diesem Plattformtyp, da es die Fahrzeuge besitzt, die an Konsumenten vermietet werden. Uber besitzt (noch) keine Fahrzeuge und wird vielleicht einmal zu diesem Plattformtyp wechseln, sobald es autonom fahrende Autos in seinem Anlagevermögen besitzen wird. Derzeit ist Uber dem Typ der „schlanken Plattform“ zuzurechnen.

Der Rückgang von Umsätzen der Musikindustrie mit physikalischen Tonträgern wie CDs traf die Branche zunächst hart. In den letzten Jahren trat aber wieder eine Erholung für die Branche ein, als Plattformen wie Spotify eine neue Vermarktung von Musik starteten. Streaming ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Produktplattformen ihre Grenzkosten gegen Null drücken. Aber nicht nur im Geschäft mit Konsumenten haben Produktplattformen ihre Berechtigung. Rolls Royce und andere haben sich diesem Geschäftsmodell ebenfalls zugewandt. Triebwerke werden dabei nicht mehr verkauft, sondern vermietet, mit Sensoren ausgestattet und mit einem Wartungsvertrag versehen. Dadurch werden die Margen wesentlich verbessert und gleichzeitig eine große Menge an Daten generiert. Externe Dienstleister, die um lukrative Wartungsaufträge als Konkurrenz zu Rolls Royce konkurrieren, werden gleichzeitig praktisch vom Markt ausgeschlossen, da die Produktplattform durch die extrahierten Daten unschlagbare Wettbewerbsvorteile besitzt.

Schlanke Plattformen verzichten auf Personal und Anlagevermögen

Uber und Airbnb sind Paradebeispiele für Plattformen, die ohne eigene Infrastruktur auskommen. Sie vermitteln die Autos und Fahrer bei Uber. Bei Airbnb wird die Beherbergungskapazität und das Personal für die Bewirtschaftung dieser von den Leistungsanbietern bereitgestellt. Derartige Plattformen optimieren sich durch maximales Outsourcing. Auch TaskRabbit und Mechanical Turk funktionieren nach diesem Muster. Die sogenannte „Sharing Economy“ macht also nur einen Teil dieses Plattformtypus aus.

Auch Hardware und Software wird oft von den Plattformen gemietet. Es ist ein interessantes Geschäftsmodell für Amazon Web Services, Uber oder Airbnb damit zu versorgen. So bauen schlanke Plattformen auch auf anderen Plattformen auf. Was allerdings auch für schlanke Plattformen entscheidend beibt, ist die Extraktion großer Datenmengen, mit denen sie die Leistungsfähigkeit der Plattformen laufend verbessern. Dennoch fällt es schlanken Plattformen nach wie vor nicht leicht, wirklich Geld zu verdienen. Nach wie vor erfolgt das Wachstum und die Bewertung schlanker Plattformen vornehmlich in Erwartung zukünftiger hoher Profite.

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