Wie Unternehmen “Schummelprophylaxe” betreiben können (2/2)

Täglich entstehen Unternehmen hohe Schäden, weil Menschen schummeln, täuschen und betrügen. Dies liegt in der Natur des Menschen und ist evolutionär angelegt. Es wird Zeit, dieses Faktum nicht blindlings zu kriminalisieren. Moderne Instrumente der Unternehmensführung sollten sich der Erkenntnisse der Verhaltensökonomik bedienen. Dadurch lässt sich der Unternehmenswert beträchtlich steigern!

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Dies ist mein zweiter Blogpost zum Thema „Schummelprophylaxe“. Er knüpft an an den Artikel „Wie Unternehmen Schummelprophylaxe betreiben können (1/2)“. Unternehmen erleiden erhebliche Schäden, weil sie sich mit adminstrativ-bürokratischen Mitteln gegen Betrügereien jeglicher Art nur unzureichend schützen können. Klassische Instrumente wie Revisionsabteilungen und Corproate Governance Richtlinien oder Compliancebeauftragte alleine reichen nicht aus. Erkenntnisse der Verhaltensökonomik können hier Abhilfe schaffen und sollten in betriebliche Prozesse Eingang finden. Direkte Auswirkungen auf den Unternehmenswert resultieren sodann sowohl aus quantitativen wie qualitativen Faktoren.

In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich öfters auf Erkenntnisse, die der amerikanische Ökonom Dan Ariely, ein Vertreter der Verhaltensökonomik in seinem instruktiven Buch „Die halbe Wahrheit ist die beste Lüge“ dargestellt hat. Es lohnt sich sowohl für Unternehmer als auch für Manager, dieses Buch zu lesen. Vor allem ist die experimentell gestützte Erkenntnis, dass „schummeln und lügen“ allgegenwärtig ist und jeden Menschen mehr oder weniger kennzeichnet, nützlich und gleichzeitig erhellend.

Libertärer Paternalismus

„Nudge“ (englisch für Stups oder Schubs) ist ein Begriff der Verhaltensökonomik, der durch den Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein in deren Buch Nudge: Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness (deutsch Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt) von 2008, geprägt wurde: Unter einem Nudge verstehen die Autoren eine Methode, das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen. Seit dieser Veröffentlichung findet der Begriff auch in anderen Gebieten Anwendung. Es wird im Gegensatz zum Modell des Homo oeconomicus von einem realistischen Menschenbild ausgegangen, d.h. der Mensch ist selten in der Lage, eine optimale Entscheidung zu treffen. Auch die experimentelle Wirtschaftsforschung zeigt, dass Menschen, obwohl eine rationale Wahl existiert, eine andere Wahl treffen.

In ihrem Buch plädieren die Autoren für einen „libertären Paternalismus“: Ausgehend von der empirischen Erkenntnis, dass menschliche Entscheidungen nur begrenzt rational seien sowie unweigerlich durch ihren Kontext (Entscheidungsarchitektur) beeinflusst würden. Institutionen, die den Kontext beeinflussen können, sollten dies auch so tun, dass ihre Interessen sowie das Gemeinwohl gefördert werden.

Diese „paternalistische“ Beeinflussung von Menschen wird dabei insofern als libertär eingestuft, als dem Entscheidenden jederzeit die Möglichkeit offensteht, sich gegen den Weg zu entscheiden, auf den er „gestupst“ wird. Die Kombination von Paternalismus und Liberalismus wurde von den Autoren bereits 2003 in ihrem Artikel „Libertarian Paternalism“ vorgeschlagen.

Inwiefern spielen Biologie, Kreativität und Intelligenz eine Rolle beim Schummeln?

Pathologische Lügner weisen empirisch belegt eine andere physiologische Zusammensetzung von Gehirnzellen auf als ehrliche Menschen. Ein unterschiedliches Verhältnis von grauen und weißen Gehirnzellen lässt sich dabei vor allem am präfrontalen Cortex feststellen. Dies ist jene Gehirnregion, wo moralische Entscheidungskriterien angesiedelt sind.

Empirisch lässt sich zeigen, dass eine positive Korrelation zwischen Kreativität und Schummeln besteht. Experimente belegen, dass dies vor allem darauf zurückzuführen ist, dass kreative Menschen mehr Möglichkeiten finden, mangelnde Moralität zu rationalisieren, indem sie ihrem eigenen Gewissen bessere Geschichten erzählen. Dies gilt vor allem dann, wenn Situationen mehrdeutig sind. Kreativität erhöht unsere Fähigkeit, Probleme zu lösen, indem sie uns ermöglicht, neue Methoden und Denkweisen anzuwenden. Gleichzeitig erlaubt uns Kreativität, auf originelle Weise Regeln zu umgehen und die Dinge in unserem eigenen Sinne zu interpretieren.

Es hat sich auch gezeigt, dass aufgrund der Jobprofile verschiedene Abteilungen eines Unternehmens unterschiedliche Ausprägungen des Schummelfaktors aufweisen. Ganz oben auf der Skala der moralischen Flexibilität stehen Werbetexter und Designer, ganz unten Buchhalter. Sobald die Stellenbeschreibung Kreativität erfordert, erhöht sich offenbar die Mentalität “ran an den Speck”, wenn es darum geht, finanzielle Vorteile durch unehrliches Verhalten zu erlangen.

Dan Ariely hat auch untersucht, inwieweit eine Korrelation zwischen Intelligenz und Schummeln besteht. Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass keinerlei Korrelation zwischen Intelligenz und Schummeln besteht. Die Begründung dafür ist unklar.

Disruptive Innovationen fördern die Auslotung und Überschreitung moralischer Grenzen

Der amerikanische Historiker Ed Balleisen, Professor an der Duke University, beschreibt in seinem demnächst erscheinenden Buch “Suckers, Swindlers, and an Ambivalent State”, die Wirkung neuer technischer Durchbrüche auf moralische Verhaltensweisen. Er zeigt, dass immer dann, wenn in der Wirtschaft disruptive Innovationen stattfanden (ob mit der Erfindung des Postdienstes, des Telefons, des Radios, des Computers oder durch die Verbriefung von Hypotheken) moralische Grenzen besonders offensiv ausgelotet wurden.

Menschen gehen dann bis an die Grenzen der neuen Möglichkeiten, aber auch bis an die Grenzen der moralischen Vertretbarkeit – und manchmal darüber hinaus. Gelegentlich finden Grenzüberschreitungen auch in extremem Ausmaß statt, nämlich dann, wenn besonders revolutionäre Perspektiven locken. Die Entwicklung rund um Kryptowährungen hat zuletzt demonstriert, wie massiv Betrug um sich gegriffen hat. Es hat sich aber auch gezeigt, wie überzeugt fanatisierte Anhänger all diese Aspekte ausblenden beziehungsweise bewusst zur Kenntnis nehmen. Dies liegt daran, dass erst nach Etablierung revolutionärer Technologien neue Regeln in Kraft treten. Im „Wilden Westen“ bildete sich die amerikanische Nation erst langsam heraus und es ging zunächst entsprechend rauh zu. Das gilt auch heute für weite Teile von Wirtschaft und Gesellschaft, sobald es zu grundsätzlichen Umbrüchen kommt.

Mogeln wirkt ansteckend, es besteht soziale Infektionsgefahr

Wenn man Freunden “gute Gelegenheiten” zum Schummeln aufzeigt, dann hilft das, unser eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Unser Verhalten erscheint eher gesellschaftsfähig, wenn die Freunde gemeinsam mit uns moralische Grenzen überschreiten. Allgemeiner gesprochen gilt, dass wir uns oft damit trösten, dass unser Handeln mit den sozialen Normen unserer Umgebung übereinstimmen. Das erklärt, warum gesellschaftliche Subsysteme (Gangs, Parallelgesellschaften, Berufsgruppen etc.) eigene Normensysteme entwickeln und teils unvertretbar erscheinende Verhaltensweisen an den Tag legen. Werden wir hingegen daran erinnert, dass ein Verhalten unmoralisch ist, dann sinkt dadurch dessen Auftreten.

Mogeln ist nicht nur evolutionär angelegt und allgemein verbreitet, es ist auch sozial ansteckend. Durch Beobachtung unehrlichen Verhaltens in der näheren Umgebung nimmt Schummeln zu. Gehört der Betrüger zu unserer sozialen Wir-Gruppe, so entwickeln wir das Gefühl, dass dieses Verhalten sozial eher akzeptabel ist. Mogelt ein Außenseiter, so ist es schwerer, unser eigenes Fehlverhalten damit zu rechtfertigen. Andere Menschen sind also entscheidend für unsere innere Festlegung akzeptabler Grenzen unseres Verhaltens.

Es ist keine Neuigkeit, dass beispielsweise dem Vorbildverhalten von Vorgesetzten große Bedeutung zukommt. Berücksichtigt man allerdings das soeben Gesagte, so ist es ebenso wichtig, innerhalb der eigenen Bezugsgruppe (z.B. innerhalb der Kollegenschaft) eine ausgeprägte soziale Kontrolle zu gewährleisten. Denn Übeltäter verbreiten die Infektion! Von Mensch zu Mensch übertragen, setzt Unehrlichkeit auf lange Sicht sozial erodierende Kräfte frei. Daher ist es wichtig, auch kleinere Gaunereien wie überhöhte Spesenabrechnungen, falsche Zeitaufzeichnungen, Kilometergeldabrechnungen etc. einzudämmen.

Umgekehrt gilt aber auch, dass moralische Infektion durch gute Vorbilder auch positive Effekte hat. Ehrliches Verhalten ist unglaublich wichtig für das moralische Empfinden einer Gesellschaft. Daher ist unternehmensinterne Werbung für herausragendes moralisches Verhalten so wichtig.

Die Broken-Window-Theorie zeigt, dass Probleme früh angegangen werden müssen

Laut “Broken-Windows-Theorie“ (englisch für Theorie der zerbrochenen Fenster) besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verfall von Stadtgebieten und Kriminalität. Die amerikanischen Sozialforscher James Q. Wilson und George L. Kelling illustrierten diese Theorie 1982 mit der Aussage, dass eine zerbrochene Fensterscheibe schnell repariert werden müsse, damit weitere Zerstörungen im Stadtteil und damit vermehrte Delinquenz verhindert werden kann.

Die Theorie bildet das Fundament der polizeilichen “Nulltoleranzstrategie”, die zuerst und öffentlichkeitswirksam als New Yorker Modell unter William Bratton praktiziert wurde. Kelling und Wilson veröffentlichten im Jahr 1982 in der Zeitschrift „The Atlantic Monthly“ ihr Broken-Windows-Konzept. Ihre Theoriekonstruktion steht im Zusammenhang älterer kriminalgeographischer Annahmen der Chicagoer Schule und basiert auf einem sozialpsychologischen Experiment von Philip Zimbardo. Zimbardo untersuchte in den 1960er-Jahren experimentell Vandalisierungsverläufe an abgestellten Autos. Es zeigte sich (heute wenig überraschend), dass die Umgebung (also der Handlungskontext) entscheidend ist für das Täterverhalten.

Es sind die Zeichen mangelnder sozialer Kontrolle, die diesem Phänomen zugrunde liegen. In Unternehmen ist es derselbe Effekt, der zu unehrlichem Verhalten anregt. Ordnung sowie korrektes Verhalten im Inneren und gegenüber Kunden reduzieren daher auch den Schummelfaktor.

Welche Auswirkung hat Gruppenarbeit auf die Ehrlichkeit?

Gruppenarbeit gilt oft als wünschenswert. Aber fördert Kooperation Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit? Bei der Dimension “Unehrlichkeit” ist Gruppenarbeit jedenfalls nicht so positiv zu bewerten, wie es in anderen Zusammenhängen als gegeben angesehen wird. Gruppenzwang und Gruppenloyalität haben erstaunliche Auswirkungen auf den Schummelfaktor. Betrügen wir mehr oder weniger, wenn wir einer Gruppe angehören?

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Soziale Infektion – wie gerade beschrieben – ist etwas anderes als soziale Abhängigkeit. Bei Gruppenarbeit hängt der Erfolg des Kollektivs vom Handeln des einzelnen ab. Damit entsteht eine gegenseitige Abhängigkeit, die andere psychologische Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten der Gruppenmitglieder hat, als wenn diese nur „externes“ Schummeln beobachten. Es hängt der Erfolg der Gruppe und mitunter auch das finanzielle Wohlergehen der Gruppenmitglieder vom Verhalten des Gruppenmitglieds ab.

Das Arbeitsumfeld in einem Unternehmen stellt ein komplexes soziales Gebilde dar. Manche Faktoren können bewirken, dass sich aus der Kooperation Gelegenheiten zu „unehrlichem“ Verhalten ergeben, die aus einem Gruppenzwang heraus entstehen. Das eigene Verhalten kommt dann nämlich auch anderen zugute oder schadet eben diesen. Je nach Situation und Gruppenzusammensetzung spielen Emotionen wie Rache und Altruismus eine wichtige Rolle.

Rache und Altruismus spielen beim Schummeln eine wichtige Rolle

Wird Unehrlichkeit zu einem Mittel der Rache für erlittene Unbill, dann fällt es uns wesentlich leichter, unmoralisches Verhalten vor uns selbst zu rechtfertigen. Schummeln wird dann zu einem Mittel der Vergeltung, zu einem Instrument der ausgleichenden Gerechtigkeit. Dies gilt nicht nur für Verhalten innerhalb der Gruppe. Besonders dort wirkt es sich aber aus, wenn Rivalitäten und Revancheakte – beispielsweise in einem Unternehmen – ausgetragen werden.

Der psychologische Impuls zum Altruismus (also das Handeln zum Nutzen anderer) wird in den Sozialwissenschaften als „soziale Nützlichkeit“ bezeichnet. Es geht dabei darum, für andere zu sorgen und ihnen zu helfen, auch wenn die eigentliche Handlung unseren Überzeugungen widerspricht oder wenn sie für uns nachteilig ist. Wer hat nicht schon einmal Berichte geschönt, Statistiken manipuliert oder Bewertungen verfälscht, um dem Unternehmen oder der Gruppe zu nützen?

Gruppenkonstellationen bremsen – empirisch belegt – unsere Neigung zu betrügen, wenn wir uns beobachtet fühlen. Sie können aber auch dazu beitragen, Betrug als altruistischen Akt zu rechtfertigen. Man fühlt sich dann mitunter wie Robin Hood.

Experimente haben allerdings auch gezeigt – und das sollten Unternehmen berücksichtigen – dass die Neigung zu altruistischem Schummeln radikal abnimmt, wenn die Gruppe genau beobachtet wird. Daher kommt klassischem Controlling auch in diesem Zusammenhang in Unternehmen eine wichtige Rolle zu. Umgekehrt steigt die Tendenz zum Schummeln, wenn trotz Beobachtung eine intensive Kommunikation zwischen den Gruppenmitgliedern stattfindet. Die sozialen Aspekte des Betrügens überwiegen dann allem Anschein nach die korrigierende Wirkung des Beobachtetwerdens.

Rationalisierung spielt für unser Verhalten eine entscheidende Rolle

Bei fast allen unseren täglichen Handlungen spielt Rationalisierung und das Auflösen kognitiver Dissonanzen eine überragende Rolle. Gerade weil die meisten Entscheidungen nicht auf rationale Weise zustande kommen, ist ein moralischer Kompass bei den meisten Menschen allgegenwärtig. Wir besitzen ein natürliches Talent, Regelverstöße vor uns selbst zu rechtfertigen, besonders dann, wenn unser Handeln ein paar Schritte davon entfernt ist, jemand anderem direkten Schaden zuzufügen. Genau deshalb gilt auch Steuer- und Subventionsbetrug landläufig als minder schweres Delikt. Und so wird auch Korruption im Vertrieb gerechtfertigt.

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