Wir brauchen ein neues Selbstverständnis, Politikwechsel inklusive

Unsere westliche Welt gerät in eine gefährliche Schräglage. Wenn wir keine Zukunftsperspektiven vermitteln können, werden wir als Gesellschaft scheitern. Die Politik steht besonders in der Verantwortung. Aber es braucht eine Veränderung unserer Wertewelt, damit eine  Systemanpassung Chancen auf Erfolg hat.

 

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Menschen leben nach Weltbildern, man nennt dies Kultur. Es sind Geschichten über uns selbst, die unser Selbstverständnis prägen. Diese Geschichten schaffen kontrafaktische Weltentwürfe, die einen höheren Sinn, eine Wertewelt und damit eine Orientierung vermitteln. Fakten spielen dabei eine untergeordnete Rolle, soweit die Geschichten sich nicht als unzweifelhaft falsch erweisen. Dadurch wird unser Zusammenleben in komplexen Gesellschaften erst möglich.

Eine Geschichte, die ganz wesentlich das Selbstverständnis der westlichen Welt – und nicht nur dieser – prägt, ist die Geschichte der Konsumgesellschaft. Die sich entwickelnde Konsumgesellschaft hat ein durch verheerende Kriege darniederliegendes Europa und ein sich im danach anbahnenden kalten Krieg um globale Dominanz ringendes Amerika vereint und auf ein neues Ziel ausgerichtet. Es war ein österreichisch-amerikanischer Propagandaexperte namens Edward Bernays, übrigens ein Neffe Sigmund Freuds, der als erster erkannt hat, wie Märkte geschaffen und sich eine amerikanische Kriegswirtschaft in eine auf Massenkonsum ausgerichtete Wohlstandsgesellschaft transformieren lässt. Aber bereits vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs hat er in seinem Buch “Propanda” (1928) die Technik der Meinungsformung als “engineering of consent” beschrieben und das Wesen der liberalen Demokratie erläutert. Dieser Methoden bedienen sich noch heute auf destruktive Weise ihre Gegner wie beispielsweise Stephen Bannon, der für die europäische Rechte den EU-Wahlkampf 2019 zu beeinflussen beabsichtigt.

Es sind die jeweils stärkeren “Geschichten”, die unsere Weltsicht prägen

Edward Bernays beschrieb 1928, inspiriert von der Psychoanalyse Sigmund Freuds, sein Bild der liberalen Demokratie: „Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Verstand geformt, unsere Geschmäcker gebildet, unsere Ideen größtenteils von Männern suggeriert, von denen wir nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Große Menschenzahlen müssen auf diese Weise kooperieren, wenn sie in einer ausgeglichen funktionierenden Gesellschaft zusammenleben sollen. In beinahe jeder Handlung unseres Lebens, ob in der Sphäre der Politik oder bei Geschäften, in unserem sozialen Verhalten und unserem ethischen Denken werden wir durch eine relativ geringe Zahl an Personen dominiert, welche die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren.“

Nach dem zweiten Weltkrieg gelang es Bernays, Konsum zum sakralen Akt zu stilisieren. Konsum wird zum Lebensinhalt, wir suchen unsere spirituelle Befriedigung und unsere Ich-Identität in dieser Wachstumsideologie. Wen wundert es, dass nach zwei Weltkriegen eine scheinbar “unpolitische” Wohlstandsideologie, die sich endlich um die Bedürfnisse der Menschen kümmert und mörderische messianische Visionen hinter sich lässt, so überzeugend war. Übrigens nichts anderes machen heute viele Länder, die einem Konsumutilitarismus frönen und damit Hunderte von Millionen Menschen aus bitterer Armut holen. Auch die EU als Antikriegsprojekt wurde aus der Idee heraus gegründet, dass Nationen, die intensiv wirtschaftlich verflochten sind, keine Kriege gegeneinander führen werden.

Klassischer Marktfundamentalismus ist eine starke “Erzählung”

Die Konsumgesellschaft hat eine bestechende Logik. Je mehr konsumiert wird, desto höher ist der gesellschaftliche Wohlstand. Je höher das Bruttosozialprodukt ist, desto innovativer, stabiler und nach außen verflochtener sind Volkswirtschaften. Gesellschaften werden dadurch friedlicher, die Armut sinkt, Bildung steigt und Demokratie nimmt daher zu. Die Sicherheit des Einzelnen nimmt ebenso zu. Die kapitalistische Logik ist auch rational und frei von ideologischen Verzerrungen und Diskriminierungen. Die unsichtbare Hand des Marktes steuert die freiwillige Zusammenarbeit der Individuen auf die effizienteste Art und Weise. Noch nie lebten mehr Menschen in Freiheit und in demokratischen Gesellschaften. Wir leben damit in der besten aller möglichen Welten. So in etwa lautet das Dogma der Marktfundamentalisten.

Kritiker wenden ein, dass dies alles wahrscheinlich nicht nachhaltig ist. Die systemimmanenten Risiken verschärfen sich laufend und die Aufwärtsdynamik stößt an ihre Grenzen. Wachstum kostet natürliche Ressourcen und verschärft die Ungleichheit. Die mit dem Kapitalismus einhergehende Globalisierung entwurzelt den Menschen und führt zu einer sinnentleerten konsumorientierten Einheitskultur. Die permanente Beschleunigung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung lässt immer mehr Menschen zurück, da sie dieser Entwicklung nicht gewachsen sind und auch niemals sein können. Darüber hinaus setzt das Konstrukt des “Homo oeconomicus” auf ein in der realen Welt nicht vorhandenes Modell des rein rational agierenden Menschen, das selbst von der Wirtschaftswissenschaft als bereits überholt erkannt wurde. Die Grenzen des Wachstums sind erreicht und unser überholtes Wirtschaftssystem bewegt sich auf den Kollaps zu. So in etwa lautet die Argumentation der Kapitalismuskritiker.

Untergangspropheten waren immer schon allgegenwärtig und sind eine ermüdende Begleiterscheinung jeder Gesellschaftsform und kulturellen Epoche. Sie sind ebenso anstrengend wie dumme Optimisten. Die marktfundamentalistische Theorie reduziert den Menschen auf eine Subsumptionsmaschine normalverteilter Präferenzstrukturen. Ihr Vorteil besteht in der einfachen mathematischen Modellierbarkeit. Allerdings ist sie reine Fiktion und hat mit irgendeiner empirisch wahrnehmbaren sozialen Wirklichkeit nichts zu tun. Will man sie zur Leitlinie praktischen Handelns machen, dann ist das reine Theologie. Die verdeckte Weiterentwicklung des Kampfes um die Deckung existenzieller Bedürfnisse über Menschenrechte hin zu Konsumentenrechten bedeutet den Übergang von der Freudschen Vision dunkler, zerstörerischer Triebe zur Idee von einer rationalen Welt.

Zwei unvereinbare Menschenbilder treffen aufeinander

Der Werbefachmann Edward Bernays hat Freuds psychoanalytische Erkenntnisse über den Menschen als irrationales Triebwesen benutzt, um eine demokratische Konsumgesellschaft modernen Zuschnitts zu konzipieren. Manipulierbare Massen stellen seiner Meinung nach die Grundlage dieses Gesellschaftssystems dar. Das Herdentier moderner Werbespychologie verträgt sich aber nicht mit dem Homo oeconomicus aus dem akademischen Elfenbeinturm. Die zentrale Frage ist daher, wie sich eine rationalistische Theorie vom freien Markt mit dem real vorhanden Gesellschaftsmodell verträgt. Westliche Politiker irren auf der Suche nach Kompromissen umher, ohne dadurch den fundamentalen Konflikt auflösen zu können. Er ließ sich überbrücken, solange nachhaltiges Wachstum und permanente Wohlstandsmehrung für die breiten Massen eine intakte Zukunftsperspektive darstellten.

Der Historiker Philipp Blom beschreibt dies in seinem Buch “Was auf dem Spiel steht” sehr eindrucksvoll, indem er darauf hinweist, dass das irrationale Herdentier historisch wesentlich robuster ist als der Homo oeconomicus. Er schreibt: “Die dünne Silhouette des rationalen Menschen zerbrach an der heimtückischen Weigerung der Gesellschaften dieser Welt, nach dem Mauerfall allesamt zum Neuen Jerusalem der liberalen Demokratie zu pilgern und sich einem freien Weltmarkt anzuschließen. … Und es ist alles andere als sicher, dass liberale Demokratien in diesem Wettbewerb auch nur ihr eigenes Fortbestehen sichern können, von ihren missionarischen Ambitionen ganz zu schweigen.”

 

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Obwohl es dem unvernünftigen und manipulierbaren Konsumenten so gut geht wie noch nie, klagt er trotzdem. Er empfindet sein Leben nicht so perfekt, wie es in der Werbung dargestellt wird. Ihm fehlt nicht die Möglichkeit zu konsumieren, sondern die Möglichkeit, einen Sinn daraus zu generieren. Konsum als Gesellschaftsmodell und Lebensvision ist eine Erscheinung der Nachkriegszeit. Menschen haben gelernt, sich als Verbraucher und Empfänger gesellschaftlicher Wohltaten zu begreifen. Immer wieder versuchen Politiker darauf zu verweisen, dass unser Gesellschaftsmodell ein Optimum darstellt, ohne Alternative sei, dass Europa ein Friedensprojekt ist, dass unsere universellen Werte gegen jede Kritik verteidigt werden müssen. Nur haben sie noch nicht beantwortet, warum wir seit geraumer Zeit relativ zu anderen Weltregionen verlieren. Sie haben keinerlei Vision entwickelt, die unsere “Erzählung” weiterentwickelt, sie wollen sie einfach immer so weitererzählen. Wir leben derzeit in den verfallenden ideengeschichtlichen Strukturen eines Nachkriegstraums.

Wohin die Reise geht, hängt davon ab, ob wir uns als anpassungsfähig erweisen

Nachdem immer weniger Menschen daran glauben, dass die Zukunft eine Verbesserung für sie bereithält, verweigern sie sich dieser. Einerseits löst die kalte Welt internationaler Märkte Ängste aus, andererseits fehlen neue Visionen und Ziele, die eine Gesellschaft hinter sich vereinen kann. Wir leben im Westen in reaktionären Zeiten, da wir die Zukunft ablehnen und lieber der Vergangenheit frönen. Der “liberale Traum” der Eliten steht gegen die “Punkerstimmung” oder die “Festung” der Modernisierungsverlierer. Offenheit steht gegen Abschottung. Es sind nicht Ideologien, die diese Spaltung ausmachen, sondern Haltungen zur Welt. Der liberale Traum steht für Chancenmaximierung, die Festung für Risikominimierung. Zukunftsoptimismus steht gegen Sicherheitsstreben.

Die Voraussetzungen für eine existenzielle Krise liberaler Demokratien sind längst gegeben, wie das politische Aufbegehren breiter Massen, nicht nur vereinzelter Elemente, in Europa und den USA belegen. Wenn diese politischen Systeme ihre fundamentalen Versprechen nicht einhalten können, dann bekommen autoritäre und demagogische Bestrebungen ihre Chance. Dem können sich westliche liberale Demokratien nur durch eine fundamentale Neuorientierung entziehen. Eine Demokratiereform  ist überfällig. Ich habe dies in einem eigenen Blogpost bereits dargestellt. Die wesentlichen Eckpunkt sind aus meiner Sicht folgende:

In den letzten zehn Jahren wurde viel Vertrauen verspielt. Die wenigsten Schurken, die die letzte Finanzkrise 2008/09 verursacht haben, mussten dafür bezahlen. Nichts Fundamentales wurde seither am System geändert. Europa reguliert überschießend alles und jedes, ohne damit an Stabilität zu gewinnen. Die EU-Wahlen 2019 werden zeigen, wohin sich dieses Europa bewegen wird. Bereits jetzt zeichnet sich aber schon ab, dass es zu einem Lagerwahlkampf der Verfechter des “liberalen Traums” auf der einen Seite und der Propagandisten der “Festung” auf der anderen Seite kommen wird. Keine neuen Ansätze sind erkennbar. Ähnlich wie die zutiefst gespaltenen USA steuert auch Europa auf eine vergleichbare Situation zu. Der Rückstand zu Asien im Bereich Zukunftstechnologien nimmt zu und wir unternehmen nichts Ernsthaftes dagegen. Dies wird die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben. Wenn wir nicht bald entschieden handeln, werden wir das noch sehr bedauern.

 

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