Seit der letzten großen Finanzkrise 2008/09 mussten Banken ihre Geschäftspolitik massiv verändern. Für Kreditnehmer war dies eine bittere Erkenntnis. Regulierung auf Seiten der Banken trifft auf neue Herausforderungen der Finanzierung von KMU. Die gute Nachricht ist: es gibt Alternativen!
Seit gut einem Jahrzehnt ist in der Bankenlandschaft kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Die Bankenkrise in Europa ging Hand in Hand mit einer sich seit Jahrzehnten aufbauenden Krise der Staatsverschuldung, die sich plötzlich beschleunigt und letztlich auch zu einer Eurokrise geführt hat. Die gesamte Bankbranche geriet in Geiselhaft der Politik, welche sie durch überschießende regulatorische Knebel und entsprechende Bankensteuern für ihre Interessen eingespannt hat. Dass griechische Staatsanleihen für Banken gesetzlich als risikolos definiert wurden, Unternehmenskredite aber mit mehr Eigenkapital als zuvor unterlegt werden müssen, ist ein direkter Ausfluss dieser Ereignisse. Sehr zum Schaden heimischer Unternehmen!
Bankkultur und Bankmitarbeiter haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Ebenso die Wahrnehmung von “Bankern” in der Öffentlichkeit. All dies hat auch wesentliche Veränderungen im Umgang von Bankmitarbeitern und -management mit Unternehmen als Bankkunden bewirkt. Die Auswirkungen der Veränderungen im Finanzsektor sind nicht nur klimatischer Natur, sie wirken sich auch inhaltlich auf die Kundenbeziehungen aus. Es ist wichtig für Bankkunden, dies zu verstehen und ihre Verhaltensweisen gegenüber Banken dementsprechend neu zu justieren. Während Privatbanken einen individualisierten Service immer stärker in den Vordergrund stellen, hält bei Geschäftsbanken immer stärker die Standardisierung Einzug.
Niemand sollte sich von der hektischen Kreditgewährung im Rahmen der Corona-Krise blenden lassen. Diese ist nur durch staatliche Förderungen und Garantienahmen möglich geworden. Die in den letzten Jahren sichtbar gewordene regulatorisch reduzierte Praxis der Kreditgewährung wird sich aber vermutlich nachhaltig nicht ändern.
In zahlreichen Geschäftsbanken herrscht eher Resignation als Aufbruchstimmung
Vor allem Geschäftsbanken sind aufgrund permanenter Restrukturierung und strategischer Neupositionierung seit Ausbruch der Finanzkrise – und das ist im Oktober 2018 bereits ein Jahrzehnt her – vor allem mit sich selbst beschäftigt. Gerade die permanente Reorganisation, welche oft kostengetrieben ist, verunsichert Mitarbeiter wie Management in Banken spürbar. Verstanden sich Banker früher als breit ausgebildet, gesellschaftlich angesehen und mit gutem Salär und sicherem Arbeitsplatz versehen, so ist davon heute mit Ausnahme der guten Ausbildung nicht mehr viel geblieben. Während ältere Bankmitarbeiter oft bereits resigniert haben und auf den Pensionsantritt oder ein akzeptables Abfindungsangebot für ihr vorzeitiges Ausscheiden warten, wird die Rekrutierung junger Talente zunehmend schwieriger. Bezahlt wird einem jungen Mitarbeiter mit Hochschulabschluss mittlerweile eher weniger als in der Industrie. Die durchschnittliche Verweildauer in Bankvorständen nimmt laufend ab, Bankvorstände sitzen heute auf einem Schleudersitz. Zusätzlich stehen sie permanent unter Beobachtung der Regulierungsbehörden, die jederzeit ihre Eignung für die Funktion (“fit and proper”) in Zweifel ziehen und ihnen diese auch absprechen können.
Als ich meine Banklaufbahn startete (Ende der 1980er Jahre), war es noch möglich, im Kommerzkundengeschäft vielfältige Erfahrungen zu sammeln und sich individuell auf die Kunden einzulassen. Die Lernkurve in Bezug auf unterschiedliche Geschäftsmodelle und Branchen war daher hoch. Dazu kam, dass auch in der Bank selbst ein bereichsübergreifendes Arbeiten möglich war und das unternehmerische Denken der Mitarbeiter gefördert wurde. Verantwortung wurde übertragen, Chefs standen bei vertretbaren Fehlern hinter dem Mitarbeiter und delegierten Verantwortung, die Beziehung zwischen verschiedenen Banken war zwar kompetitiv, aber von Handschlagqualität geprägt. Noch vor 20 Jahren war es möglich, dass Vertrieb und Risikomanagement in einer Person vereint waren (ich selbst verantwortete beide Bereiche des Kommerzkundengeschäfts gleichzeitig). Wen wundert es, dass Mitarbeiter und Bankmanagement auch kreativ an Kundenproblemen arbeiteten und all das als Herausforderung empfunden wurde. Und dass das Gefühl für volle Kunden- und Geschäftsfeldverantwortlichkeit zu Spitzenleistungen antrieb.
Heute dominiert persönliche Absicherung, das eigentliche Bankgeschäft leidet
Inzwischen ist die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen in Banken, aber auch die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten deutlich stärker von formalen Prozessen und von gegenseitiger Absicherung geprägt. Die permanente Reorganisation (auch bankübergreifend via Fusionen, Ausgliederungen etc.) ohne klar vorgezeichnete Karriereperspektiven fördert Ellbogentechnik und Abgrenzung des eigenen Tätigkeitsbereiches. Die Gesamtverantwortung für eine Kundenbeziehung, früher zumeist beim Kundenbetreuer angesiedelt, ist nun zwischen Marktbereich und Risikomanagement geteilt. Wie gut aber, dass man auch noch weitere Spezialisten verantwortungsmäßig einbinden kann, denn so wird “Schuld” bei “Unfällen” noch schwerer zu lokalisieren!
Fragen Sie heute Bankvorstände, welche Karrierepfade sie jungen Absolventen, als Bankmitarbeiter empfehlen würden, so hören Sie nicht selten als Antwort: “IT oder Regulatorik”. Waren früher Vertrieb, Beratung und Risikomanagement (also Arbeitsbereiche, bei denen der Kunde im Mittelpunkt stand) die Kernbereiche, wo man Karriere machen konnte, so sind es jetzt oft technische und administrative Funktionen, in denen Banken ihre größten Herausforderungen für die Zukunft sehen. Der Markt steht dabei zwangsläufig an zweiter Stelle.
Unterschiedliche Unternehmen brauchen unterschiedliche Banken
Bankkunden sollten auch nicht vergessen, dass bei größeren Banken die alle paar Jahre wieder stattfindende strategische Neuausrichtung zu einer Verschiebung von Prioritäten und Neubewertung von Kundenbeziehungen führt. Die “Verlässlichkeit” des Geschäftspartners Bank ist damit vor allem im Kommerzkundengeschäft oftmals nur noch eingeschränkt gegeben. Umso wichtiger ist es daher, bei der Auswahl der richtigen Bankpartner sehr sorgfältig vorzugehen, denn nach wie vor gibt es auch sehr gut geführte Banken. Insbesondere der Auswahl der Hausbank kommt eine besondere Bedeutung zu. Welche Fragen sich ein Unternehmen bei der Auswahl des richtigen Bankpartners stellen sollte, habe ich in einem eigenen Beitrag zusammengestellt.
Es geht aber nicht nur um die Auswahl der richtigen Bank. Auch die Wahl des „richtigen“ Bankproduktes spielt eine wichtige Rolle. Wenn eine Bank beispielsweise „passivlastig“ ist, also mehr Einlagen hat, als sie Kredite an Kunden vergeben kann, wird sie in der Kreditvergabe eher offensiv sein. Wenn die Passivseite einer Bankbilanz eher von kurzfristigen Refinanzierungsinstrumenten geprägt ist, wird sie sich bei der Vergabe langfristiger Finanzierungen mit Fixzinssätzen eher zurückhaltend geben. Natürlich kann eine Bank über ihr Treasury die Fristigkeitsstruktur beziehungsweise ihre Zinsstruktur hedgen, aber einerseits kostet das Geld und andererseits erzeugt es zusätzliche Gegenparteirisiken.
Selbstverständlich beeinflusst die Bonität einer Bank auch ihre Geschäftspolitik. Wer nicht in der Lage ist, Risiken zu tragen, wird diese meiden müssen und ist auch als Geschäftspartner weniger verlässlich. Nicht umsonst prüfen Banken im Zwischenbankgeschäft penibel wechselseitig ihre Bonitäten. In der Finanzkrise 2008/09 konnte man hautnah erleben, wie schnell sich der Wind drehen kann. Banken waren von einem Moment auf den anderen gezwungen, sich von Kreditkunden zu trennen, weil sie andernfalls ihr eigenes Eigenkapitalerfordernis nicht mehr decken konnten. Da kam es durchaus vor, dass Banken sich auch von bisher guten Kunden verabschieden mussten, um ihre Bilanzsummen zu kürzen. Die Trennung von bonitätsschwachen Kunden gelang damals nicht, weil diese keine Umschuldung finden konnten. So kann auch ein gutgehendes Unternehmen plötzlich in Schwierigkeiten kommen.
Alternative Finanzierungen ergänzen die klassische Bankfinanzierung
Für Startups ist die klassische Bankfinanzierung zumeist unzugänglich, wenn nicht öffentliche Haftungen das Risiko abfedern. Daher bieten sich für diese Phase im Lebenszyklus eines Unternehmens vor allem Eigenkapitalinstrumente an. Mittelständische Unternehmen finden ein deutlich breiteres Spektrum an alternativen Finanzierungsinstrumenten vor. Die Befassung mit diesem Thema lohnt sich! Häufig sind alternative Finanzierungen für Banken eine wichtige Voraussetzung, um in der Folge auch entsprechende Kredite bereitstellen zu können.
Gänzlich neu ist die Unternehmensfinanzierung über die Blockchain. Über eine Emission sogenannter „Token“ lassen sich in Form eines klassischen „Initial Coin Offering“ („ICO“) bereits hohe Finanzierungsvolumina aufbringen. Obgleich dieses Finanzierungsinstrument noch in den Kinderschuhen steckt und beträchtliche Regelungsdefizite aufweist, ist es sehr spannend und nicht nur für junge Unternehmen relevant. In Singapur hat vor Kurzem das erste börsennotierte Unternehmen einen ICO vollzogen. Die eCommerce-Plattform Y Ventures Group, die vor einem Jahr einen regulären Börsengang in Singapur vollzogen hatte, hat Ende Juli 2018 einen Token Sale gelauncht. Es zeigt sich, dass dieses Finanzierungsinstrument langsam salonfähig wird, auch wenn zurzeit oft noch Scharlatane damit ihr Unwesen treiben. Eine seriöse und mittlerweile regulierte Form der Unternehmensfinanzierung über die Blockchain stellt ein sogenanntes “Security Token Offering” (“STO”) dar.
Welche Schlussfolgerungen sollte ein Unternehmen aus all dem ziehen?
Im Umgang mit Banken sollte sich der Unternehmer oder Manager heute umorientieren. Banken sind nach wie vor wichtig und für viele Unternehmen unverzichtbar. Dennoch sollte ein Unternehmen sich nicht mehr nur alleine auf die Bank verlassen und alternative Finanzierungsinstrumente ins Auge fassen.
Je kleiner eine Bank ist, desto eher ist das persönliche Moment auch heute noch spürbar. Die Geschäftsbeziehung zu einer Großbank funktioniert auf der Prozessseite bereits deutlich entpersonalisiert, auch wenn das nach außen nicht den Anschein hat. Dies ist einerseits auf den steigenden Kostendruck und die schwache Ertragslage der Banken zurückzuführen. Andererseits spielt auch der nach wie vor zunehmende regulatorische Druck eine wichtige, leider aber destruktive Rolle. Für den Kunden bedeutet dies, dass Unternehmensfinanzierung zunehmend nicht nur operativ relevant ist, sondern eine strategische Dimension gewinnt. Denn ein Unternehmen muss sich die Frage stellen, welche Finanzierungsform und welcher Finanzierungspartner für die langfristige Unternehmensentwicklung eine Rolle spielen soll. Wer internationalisieren will, wer sich der Digitalisierung stellen muss, der verfügt vielleicht über gute Zukunftsperspektiven, aber über wenig Besicherungspotenzial. Dem ist oft nur dadurch zu begegnen, dass das breite Spektrum alternativer und eigenkapitalnaher Finanzierungsformen ausgeschöpft wird. Wachstum wird immer wichtiger und dieses Wachstum sollte nicht auf der Finanzierungsseite ausgebremst werden.
Wie jeder Unternehmer weiß, resultiert letztlich die Rendite seines Unternehmens nicht nur aus laufenden Gewinnen, sondern ganz wesentlich aus der Steigerung des Unternehmenswertes. Und genau dieser Unternehmenswert ist es, der hinkünftig darüber entscheiden wird, welche Finanzierungsquellen ein Unternehmen erschließen kann. In meinem Buch „Der Unternehmer und die Wertsteigerung“ habe ich diesen Zusammenhang anschaulich dargestellt. Genau darum aber hat Unternehmensfinanzierung eine strategische Bedeutung und geht über die reine Mittelbeschaffung hinaus. Nutzen Sie die neuen Möglichkeiten dazu!