„Genussrechte“ gibt es seit langer Zeit. Ihr Potenzial erschöpft sich heute nicht mehr in einer Nutzung als reines Finanzierungsinstrument. Sie stellen modernes Mezzaninkapital dar und eröffnen bilanziellen und steuerlichen Gestaltungsspielraum. Vor allem für Mitarbeiterbeteiligungen eignen sich Genussrechte bestens.
„Genussrechte“ (englisch: participation rights, participation certificates, non-voting equity securities) gehören bei Unternehmen, die solche emittieren, zum sogenannten „Hybridkapital“ (auch „Mezzankapital“ genannt). und sind Finanzinstrumente, die schuldrechtlich begründet werden und mit mitgliedstypischen Vermögensrechten ausgestattet sind. In wirtschaftlicher Betrachtung kann man sie als Beteiligungsfinanzierung ansehen. Als Anlageform sind sie entsprechend ihrer konkreten Ausgestaltung eine Mischform aus Aktie und Anleihe, die entweder mehr Eigenkapitalcharakter oder mehr Fremdkapitalcharakter aufweisen können. Wird Genussrechtskapital in Form von Wertpapieren verbrieft, so spricht man von „Genussscheinkapital“.
Sowohl in Österreich wie in Deutschland finden sich die zivilrechtlichen Grundlagen der Genussrechte im Schuldrecht. Darüber hinaus werden sie im Handels- und Gesellschaftsrecht zwar in beiden Ländern erwähnt (etwa §221 Abs. 3 dAktG oder §174 öAktG), jedoch wurde bewußt auf eine gesetzliche Definition verzichtet. Der Gesetzgeber wollte damit ein flexibles Instrument schaffen und den Beteiligten Freiheit für die privatrechtliche Gestaltung überlassen. Genussrechte können daher inhaltlich sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Dies führt auch im Steuerrecht weder in Österreich noch in Deutschland zu einer einheitlichen Behandlung. In Österreich gibt es auch noch sogenannte „Partizipationsscheine“, die einem Genussschein entsprechen und ein Teilhaberpapier darstellen.
In der Schweiz spricht man anstatt von Genussrechtskapital von „Partizipationskapital“. Das Partizipationsscheinkapital ist eine Erscheinung der Praxis bzw. bekannt aus dem Aktienrecht (vgl. OR 656a ff.). Das Partizipationskapital ist in Teilsummen, in sog. „Partizipationsscheine“ (kurz PS-Kapital), aufgeteilt (vgl. OR 656a Abs. 1 Satz 1). Partizipationsscheine lassen Kapitalanleger am Gewinn teilhaben, nicht aber an der Gestaltung des Unternehmens. Da die GmbH als nicht kapitalmarktfähige Rechtsform ausgestaltet ist, ist im Gesetz ein Partizipationskapital nicht vorgesehen.
Abzugrenzen ist der Partizipationsschein im Schweizer Recht vom Genussschein nach Schweizer Recht, der sich wiederum von österreichischen oder deutschen Genussscheinen unterscheidet. Hier herrscht babylonische Sprachverwirrung. Genussscheine nach Schweizer Recht sind statutarische Begünstigungen für Personen, die mit der Gesellschaft durch eine frühere Kapitalbeteiligung oder als Aktionär, Gläubiger, Arbeitnehmer oder in ähnlicher Weise (zum Beispiel Patentgeber) verbunden sind. De facto können stimmrechtslose Gesellschaftsanteile auch bei der schweizerischen GmbH entstehen, auch wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen sind.
Was ist der Inhalt eines Genussrechtsvertrages?
Im Genussrechtsvertrag verpflichtet sich der Genussrechtsinhaber, dem Unternehmen (dem „Genussrechtsemittenten“) das Genussrechtskapital zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung werden dem Genussrechtsinhaber Vermögensrechte gewährt wie z.B. eine gewinnabhängige Vergütung, eine Beteiligung am Liquidationserlös oder Optionsrechte. Eine Ausstattung mit Verwaltungsrechten, insbesondere mit Stimmrechten, ist hingegen nicht möglich, sehr wohl jedoch weitreichende Zustimmungs- und Informationsrechte. Es gibt aktienähnliche Genussrechte und obligationenähnliche Genussrechte (siehe unten). Je nach Ausgestaltung zählen sie damit mehr zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital des Unternehmens.
Wesentliches Merkmal von Genussrechten ist die Verlustbeteiligung (kein nötiges Kriterium für die gewinnabhängige Vergütung, aber in Praxis oft vorzufinden). Diese Verlustbeteiligung dient gleichzeitig als Abgrenzungskriterium zu anderen Beteiligungsformen wie beispielsweise einem partiarischen Darlehen. Eine Verlustbeteiligung bedeutet jedoch regelmäßig keine Nachschusspflicht. Entstehen im Unternehmen Verluste, so wird das Genussrechtskapital zumeist so behandelt wie das Aktienkapital einer AG oder das Stammkapital einer GmbH. Sofern in den Folgejahren positive Jahresergebnisse erwirtschaftet werden, sind diese regelmäßig zunächst zur Wiederauffüllung der Rückzahlungsansprüche des Genussrechtskapitals bzw. des Buchwertes zu verwenden.
Aktienähnliche Genussrechte ähneln einer klassischen Unternehmensbeteiligung
Bei aktienähnlichen Genussrechten ist der Genussrechtsinhaber vermögensrechtlich einem Gesellschafter fast gleichgestellt. Deswegen spricht man auch von Genussrechten mit Eigenkapitalcharakter die auch „Substanzgenussrechte“ oder „sozietäre Genussrechte“ genannt werden. Kriterien, die auf aktienähnliche Genussrechte hindeuten, sind insbesondere eine unbegrenzte Laufzeit, die Gewinnabhängigkeit der vereinbarten Vergütung, die Beteiligung am Unternehmenswert und am Liquidationsgewinn, die Nachrangigkeit gegenüber Gesellschaftsgläubigern sowie das Fehlen einer Besicherung.
Ein Teil der Lehre kritisiert, dass durch die Ausgabe von aktienähnlichen Genussrechten die anteilsmäßige Beschränkung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien umgangen werden würde. Stimmrechtslose Vorzugsaktien dürfen nur bis zu einem Drittel des Grundkapitals ausgegeben werden. Das ist jedoch vom Gesetzgeber durchaus gewollt, da er ja bewusst der Dispositionsfreiheit der Parteien durch Unterlassung einer näheren Regelung der Genussrechte und damit dem Fehlen einer Legaldefinition Priorität eingeräumt hat. Im Unterschied zu Vorzugsaktien kann es bei Genussrechten eben niemals zu einem „Aufleben“ des Stimmrechts kommen, da es ein derartiges nicht gibt.
Diese “Umgehungsmöglichkeit“ liegt de facto vor und ermöglicht damit interessante Gestaltungsmöglichkeiten. Aufgrund von Kündigungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der Einflussnahme des Genussrechtsinhabers über einen „Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte“ ist damit auch die praktische Beherrschung des Unternehmens durch den Genussrechtsinhaber möglich. Weiters ist jeweils die Frage zu prüfen, ob und inwiefern Genussrechte dem EKEG (Eigenkapitalersatzgesetz) unterliegen.
Bilanziell vermitteln auch aktienähnliche Genussrechte selten echtes Eigenkapital (obgleich das nicht ausgeschlossen ist: § 265 Abs 5 dHGB), jedoch regelmäßig sogenanntes „Hybridkapital“, „Mezzaninkapital“ bzw. „eigenkapitalähnliche Mittel“. Banken betrachten in ihrer Bonitätseinschätzung insbesondere „aktienrechtliche Genussrechte“ wie Eigenkapital. Diese kommen oftmals auch bei der Finanzierung von Startups zum Einsatz. Unter anderem werden sie auch von staatlichen Förderstellen angeboten. Generell verlangt die Finanzierung von Startups neue Lösungsansätze.
Möchte ein Unternehmen in einer Restrukturierungssituation den Ausweis eines Verlustes vermeiden, so bietet sich auch die Einräumung eines aktienähnlichen Genussrechts in Form eines Zuschusses über die Gewinn- und Verlustrechnung an (siehe unten). Dies kann beispielsweise dann wichtig werden, wenn andernfalls bei Vorzugsaktien das Stimmrecht aufleben und damit das Machtgefüge im Unternehmen durcheinandergeraten würde.
Obligationenähnliche Genussrechte
Hierbei dominiert der Fremdkapitalcharakter. Im Wesentlichen handelt es sich zumeist um eine Schuldverschreibung mit Gewinnbeteiligungskomponente. Die Rückzahlung von obligationenähnlichen Genussrechten ist zumeist deutlich einfacher, da die Regeln über die Einlagenrückzahlung nicht zur Anwendung gelangen.
Während die erfolgswirksame Vereinnahmung von Genussrechtskapital bei aktienähnlichen Genussrechten grundsätzlich möglich ist (was in Restrukturierungssituationen interessant sein kann), ist diese bei obligationenähnlichen Genussrechten ausgeschlossen.
Die erfolgswirksame Vereinnahmung von Genussrechtskapital ist – unter anderem – nämlich nur zulässig, wenn
- die Genussrechtsinhaber ausdrücklich einen Ertragszuschuss – sei es in Form einer Kapitalzufuhr oder in Form eines Forderungsverzichts (Besserungsvereinbarung) – leisten wollen, welcher der Durchführung bestimmter Maßnahmen (zB Sanierung, nicht aktivierungsfähige Aufwendungen, Abschichtung eines Gesellschafters) gewidmet ist,
- Vergütungen an den Genussrechtsinhaber nur bis zur Höhe des ausschüttbaren Jahresüberschusses gewährt werden und daher zu keinem Jahresfehlbetrag führen dürfen und
- den Genussrechtsinhabern bei Beendigung des Unternehmens nur dann ein Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös zusteht, wenn sämtliche nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt sind.
Hinsichtlich der Verzinsung gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich wird zwischen einer „gewinnorientierten Verzinsung“ (Höhe der Verzinsung ist abhängig von der Höhe des Gewinns) und der „gewinnabhängigen Verzinsung“ (Fixverzinsung, die bei Eintreten eines Bilanzverlustes entfällt) unterschieden. Auch Mischformen sind denkbar und üblich.
Genussrechte sind „Dauerschuldverhältnisse“ – mit weitreichenden Auswirkungen
Der österreichische OGH hat Genussrechte als Dauerschuldverhältnisse qualifiziert. Damit ist ein Recht auf außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gegeben und kann nicht ausgeschlossen werden. Nach der jüngeren Rechtsprechung kann ein Recht auf ordentliche Kündigung durch den Genussrechtsberechtigten nicht ausgeschlossen werden, wenn die Genussrechtsemittentin ein Recht auf ordentliche Kündigung hat.
Nach der älteren Rechtsprechung war noch ein Ausschluss der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit unter Umständen möglich (beispielsweise dann, wenn eine Möglichkeit der Veräußerung bestanden hat wie bei einer Börsennotierung). Aufgrund dieser jüngsten Rechtsprechung in Österreich dürfte damit die Qualifikation von Genussrechten als volles Eigenkapital praktisch sehr erschwert, wenn nicht verunmöglicht worden sein.
Steuerliche Behandlung von Genussrechten
Wie bereits oben dargestellt, kann ein Genussrecht entweder aktienähnlich („Substanzgenussrecht“, als Eigenkapital) oder obligationenähnlich (als Fremdkapital) ausgestaltet sein. Danach richtet sich auch die steuerliche Behandlung von Genussrechten sowohl beim emittierenden Unternehmen als auch beim Genussrechtsinhaber.
Nach dem Körperschaftssteuergesetz (KStG) dürfen Ausschüttungen auf Genussrechte das Einkommen nicht mindern, „wenn mit ihnen das Recht auf Beteiligung am Gewinn UND am Liquidationserlös verbunden ist“, wenn es sich also um ein aktienähnliches Genussrecht handelt. Die Betonung liegt auf „und“. Es geht also nicht um entweder – oder, sondern um sowohl – als auch. In diesem Fall liegt „Gewinnverwendung“ vor. Folglich muss zur Behandlung als Fremdkapital (und damit zur Abzugsfähigkeit der Zinsen) einer der beiden Punkte entfallen. Da es die Gewinnbeteiligung nicht sein kann, geht es also um den Liquidationserlös.
Beim Genussberechtigten sind Ausschüttungen aus Substanzgenussrechten wie Dividenden zu versteuern. Ausschüttungen aus obligationenähnlichen Genussrechten werden hingegen wie Zinseinkünfte behandelt. Je nachdem, ob der Genussberechtigte also eine juristische Person oder ein privater Anleger ist, kommt es also im Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung. Das gilt sowohl für Österreich als auch für Deutschland.
Genussrechte eignen sich bestens für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle
Managerbeteiligungen zur Incentivierung der Unternehmensspitze sind außerhalb von Familienunternehmen weit verbreitet. Immer stärker werden aber auch Schlüsselmitarbeiter zur entscheidenden Ressource für Unternehmen. Sie sind am Arbeitsmarkt begehrt und werden auch heftig umworben. Diese durch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle ans Unternehmen zu binden und zu motivieren ist eine Herausforderung. Genussrechte eignen sich dafür hervorragend, da sie vermögensrechtlich wie eine Beteiligung am Aktienkapital oder am Stammkapital wirken, ohne aber ein unerwünschtes Stimmrecht zu vermitteln.
Niemand zahlt gerne Steuern. Vermögensbildung ist für unselbständig Beschäftigte vor allem hierzulande schwierig, da hohe Steuern und Sozialabgaben auf Aktivbezüge dem im Weg stehen. Dennoch suchen Mitarbeiter Möglichkeiten der Vermögensbildung. Vermögen vermittelt Sicherheit, es eignet sich zur Altersvorsorge. Beteiligt ein Unternehmen Mitarbeiter an der Substanz des Unternehmens, so bietet sich die Möglichkeit, diesen eine langfristige und persönliche Perspektive zu bieten, die sie so nicht oft vorfinden.
Mitarbeiter können die Wertentwicklung durch gute Arbeit beeinflussen und damit langfristig auch absichern. Die Identifikation mit dem Unternehmen steigt sprunghaft an. Und es tut gut, sich als „Partner“ zu fühlen und dies auch nach außen kommunizieren zu können. Das Unternehmen kann andererseits so auch Eigenkapital aufbauen, da natürlich nichts verschenkt wird. Aber wenn nicht Prämien ausgezahlt werden, sondern über spezielle Finanzinstrumente quasi im Unternehmen „thesauriert“ werden, stärkt dies auch die Finanzierungsstruktur des Unternehmens und schont seine Liquidität. In Abhängigkeit von der nationalen Steuergesetzgebung werden Mitarbeiterbeteiligungsmodelle zumeist auch steuerlich für das Unternehmen und/oder den Mitarbeiter begünstigt. Dies übt einen Charme aus, dem sich nur wenige entziehen können.
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