Die EU muss in einer multipolaren Welt ein wesentlicher Player bleiben

Die EU gibt ein Bild der Zerstrittenheit und Orientierungslosigkeit ab. Immer deutlicher wird eine Systemkonkurrenz zwischen den USA und China, bei der Europa keine wesentliche Rolle mehr spielt. Das ist brandgefährlich und könnte uns auf den Kopf fallen. Europa muss mehr als eine wirtschaftliche Großmacht sein, um seine Interessen in Zukunft zu wahren.

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Eine scharfe Systemkonkurrenz zwischen China und den USA ist unübersehbar. Nur scheinbar ist es Donald Trump, der polternd mit seiner „America-First“-Politik einer Konfrontation mit China nicht aus dem Weg geht. Tatsächlich ist ein Konflikt zwischen dem alten Hegemon USA und seinem asiatischen Herausforderer ein Systemwettbewerb, der frappant an den kalten Krieg der Nachkriegszeit erinnert. In anderem Kleid, inhaltlich aber vergleichbar, existierte ein derartiger Systemwettbewerb bereits während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen der liberalen, marktwirtschaftlichen Demokratie USA und der kommunistischen, planwirtschaftlichen Sowjetunion.

Westeuropa fand damals seinen Platz in einer Anlehnung an Amerika. Unter dem militärischen Schutzschirm der USA fand Europa nach den Wirren des 2. Weltkrieges seinen Platz in einem demokratischen Politiksystem, das sich im Außenverhältnis transatlantisch orientierte und im Inneren immer stärker zusammenrückte. Dies resultierte schließlich in der EU, die als Staatenbund eine zunehmende Integration suchte und damit auch zu einem wirtschaftlichen Schwergewicht wurde. Die Zusammenarbeit mit den USA basierte auf einem massiven gemeinsamen Interesse. Europa war für die USA das Bollwerk gegen die Sowjetunion, die USA waren für Europa der militärische Sicherheitsgarant, was in der NATO seinen Niederschlag fand.

Die militärische Bedrohung des Westens durch Russland hat ebenso an Bedeutung verloren wie die ideologische Systemkonkurrenz zwischen West und Ost. Damit hat aber auch Europa für die USA an Bedeutung verloren. Vielmehr wird die EU mittlerweile in den USA als wirtschaftlicher Konkurrent wahrgenommen, der sonst nicht allzu viel zu bieten hat in einer veränderten Weltlage. Europa hat allerdings diese interessenmäßige Veränderung in den USA noch nicht ausreichend wahrgenommen und denkt, alles liegt nur an einem verrückten amerikanischen Präsidenten, der hoffentlich bald der Vergangenheit angehören wird. Dies ist eine gravierende Fehleinschätzung, da auch in einer Welt nach Trump sich vielleicht die Tonalität des politischen Diskurses, nicht aber die grundsätzliche Interessenslage der USA verändern wird.

Sowohl Demokratie als auch Marktwirtschaft sind in Bedrängnis

Das Meinungsforschungsforschungsinstitut Pew befragte im Zeitraum zwischen dem 14. Mai und dem 12. August 2018 insgesamt 30.133 Menschen in 27 Staaten zu ihrer Zufriedenheit mit der Demokratie in ihrem jeweiligen Staat. Die Ergebnisse dieser Studie sind gleichermaßen erstaunlich wie erschreckend. Das Ergebnis war sehr unterschiedlich in verschiedenen Ländern, allerdings hat sich die Zustimmung zum Erscheinungsbild der Demokratie insgesamt nachhaltig verschlechtert. Zufrieden mit ihrer Demokratie sind unter allen Befragten nur 45%, zwischen den Ländern gab es markante Unterschiede. Zum Teil ist dies sicher auch der Tatsache geschuldet, dass alte politische Argumentationsmuster nicht pragmatische Politik ersetzen.

Die deutsche Bertelsmann Stiftung hat eine breit angelegte Studie mit dem Titel “Wohlstand für alle. Wie inklusiv ist die soziale Marktwirtschaft?” in Auftrag gegeben, die im August 2017 erschienen ist. Die Ergebnisse dieser Studie indizieren aus meiner Sicht auch, warum Zweifel an der Funktionsweise der Demokratie mit Zweifel an der Funktionsweise der sozialen Marktwirtschaft Hand in Hand gehen. Die Phase des Wirtschaftswunders war von hohem Wachstum und relativ hoher, aber rückläufiger Ungleichheit gekennzeichnet. Eine Umkehr dieses Trends ist ab Mitte der 1980er Jahre, also mit Beginn der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, zu sehen.

Überträgt man die Schlussfolgerungen zum “inklusiven Wachstum in Deutschland” auf andere europäische Länder mit weniger stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen und weniger robusten Wachstumsraten, so sind die Schlussfolgerungen klar. Es darf nicht verwundern, dass die Unzufriedenheit mit der Demokratie parallel zur Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Marktwirtschaft massiv zunimmt.

Das amerikanische Bestreben, Europa zu schwächen, ist nicht neu

Bereits während der Administration des 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten, George W. Bush, gab es Bestrebungen, einen Keil zwischen die Staaten der EU zu treiben. Nicht umsonst sprach der damalige amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld von „Old Europe“ und „New Europe“. Geschickt versuchte er einen Keil zwischen Westeuropa (Old Europe) und Mittel- und Osteuropa (New Europe) zu treiben.

Das kontinentale Westeuropa trug die amerikanischen Interessen in Zusammenhang mit dem Irakkrieg nicht mit. Osteuropa, das nach wie vor Russland fürchtet, war an einer stärkeren militärischen Zusammenarbeit mit den USA interessiert. Rumsfeld verstieg sich sogar zu der Aussage, Westeuropa sei „of no importance“. Wenn Deutschland und Frankreich nicht die amerikanischen Interessen vertreten, dann verlieren sie aus amerikanischer Sicht ihre Bedeutung für die USA. So ähnlich sieht es auch Donald Trump. Die Sichtweise von Trump ist aber nicht neu. Nicht umsonst versucht er, Europa zu spalten und damit zu schwächen. „Divide et impera“ („teile und herrsche“) lautet die Devise. Die Unterstützung der europäischen Rechten, der Zuspruch an die Briten für einen harten Brexit, die Attacken auf den Euro und eine eigenständige europäische Geld- und Wirtschaftspolitik sind Ausfluss dieser Gesinnung.

Europa bietet ein Bild der Zerrissenheit und Zerstrittenheit

Immer offensichtlicher wird, dass der eigene idealistische Weltentwurf der aktuellen machtpolischen Tektonik nicht mehr gerecht wird. Die Spaltung der europäischen Gesellschaften reflektiert dieses zunehmende Unbehagen. Während die liberalen Eliten nach wie vor ihre Besitzstände mit untauglichen Mitteln und rhetorischer Beschwichtigung zu wahren suchen, begehrt der zurückgelassene Teil der Bevölkerung zunehmend auf. Unser Gesellschaftsmodell steht auf dem Spiel, wir sehen aber nach wie vor zu, anstatt zu handeln.

Heinz Theisen formuliert das in einem Gastkommentar in der Neuen Züricher Zeitung vom 18.6.2019 wie folgt: „Die Europäer stehen vor der Entscheidung, ob sie in einer allein noch möglichen multipolaren Weltordnung Objekte anderer Machtpole sein oder ob sie einen eigenen Machtpol bilden wollen. Die Ablösung ihrer Prioritäten durch eine machtgestützte Politik der Selbstbehauptung gewinnt durch die schwindende Bereitschaft der USA, Europa zu beschützen, zusätzlich an Dringlichkeit. Die Europäische Union ist von Bedrohungen der neuen Weltunordnung umgeben.“

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Und er führt uns ungeschminkt vor Augen, wie auch China seine Chance nützt: „In der von den Europäern zum «win-win» romantisierten Globalisierung konnte sich der chinesische Staatskapitalismus ungehindert die Rosinen herauspicken. Mit seiner antiliberalen Politik stellt China die Zusammengehörigkeit von Marktwirtschaft und liberaler Demokratie infrage. China ist zur wirtschaftlichen und politischen Herausforderung des westlichen Systems geworden.“

All dies ist nur allzu natürlich und kann niemandem vorgeworfen werden. Es entspricht einer Logik, die bereits der Friedensnobelpreisträger Henry Kissinger, einer der einflussreichsten amerikanischen Politiker der Nachkriegszeit, formuliert hat. „Staaten haben nur Interessen, keine dauerhaften Freunde oder Feinde“. Die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis werden in Europa aber eher tabuisiert als aktiv thematisiert. Wir träumen noch immer von universellen Werten und einer multilateralen Welt, die gemeinsam das Beste für alle sucht. Das war noch nie der Fall und wird es auch nie werden.

Während Macron in Frankreich mahnt, wie wichtig eine EU als globaler Player und Machtfaktor ist, dreht sich Deutschland im eigenen Saft und versucht, dem Rest Europas seine Sicht der Dinge (von Staatsverschuldung über Flüchtlinge bis zur Geldpolitik) aufzuzwingen. Den Briten ist das alles zu viel, sie waren seit jeher stärker an den USA orientiert als an Kontinentaleuropa. Teile Osteuropas hingegen erkennen das Problem der Eurosklerose und suchen nationalistische Selbstbestimmung. Nicht umsonst wird in Teilen Osteuropas argumentiert, dass Europa keine Wertegemeinschaft, sondern eine Vertragsgemeinschaft sei. Die illiberale Demokratie eines Orban steht genau für diese Geisteshaltung. Italien wird von einer Koalition aus Rechts- und Linkspopulisten regiert und verzichtet gänzlich auf einen europäischen Gestaltungswillen.

Die EU ist derzeit noch die größte Volkswirtschaft der Welt

Noch ist die EU (EU-28) die größte Volkswirtschaft der Welt. Das wird sich mit Vollzug des Brexit ändern. Nichts desto trotz bleibt die EU ein wirtschaftlicher Machtfaktor. Betrachtet man jedoch die Veränderungen innerhalb der letzten fünf Jahrzehnte, so erkennt man den drastischen relativen Bedeutungsverlust des alten Kontinents.

Das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag im Jahr 2017 bei 80,1 Billionen US-Dollar (in konstanten Preisen, Basisjahr 2010). Davon entfielen 23,5 Prozent auf die 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), 21,8 Prozent auf die USA und 12,7 Prozent auf China. Im Jahr 1970 lag der Anteil der EU-28 am Welt-BIP noch bei 35,2 Prozent – also 11,7 Prozentpunkte höher. Der Anteil der USA am Welt-BIP hat sich seit dem Jahr 2000 um 3,6 Prozentpunkte reduziert. Hingegen ist der Anteil Chinas am Welt-BIP kontinuierlich von 1,0 Prozent 1970 auf 12,7 Prozent im Jahr 2017 gestiegen – ein Plus von 11,7 Prozentpunkten. Die nachfolgende Graphik veranschaulicht diese Zahlen:

Quelle: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/135823/bruttoinlandsprodukt-bip, Zugriff: 26.06.2019

Wie seit eh und je korreliert wirtschaftliche Macht mit politischer und militärischer Stärke

Der drastische Rückgang der Quote des EU-BIP am Welt-BIP lässt sich zu einem wesentlichen Teil auf die nicht vorhandene politische und militärische Stärke der EU zurückführen. Weder eine gemeinsame Außenpolitik noch eine gemeinsame Verteidigungspolitik versetzen uns in die Lage, unsere wirtschaftlichen Interessen im globalen Umfeld durchzusetzen. Beides wird aber notwendig sein, wenn Europa nicht langfristig zu einer Kolonie anderer Mächte werden will.

Neuer Populismus, autoritärer Nationalismus und selbst der partikularistische Separatismus sind Ausfluss europäischer Orientierungslosigkeit. Die Politik des «Rette sich, wer kann» gibt Kräften Zulauf, die in Wagenburgen ihre Eigenheiten retten wollen Reaktionäre Bunkerstimmung macht sich breit. Schon die desaströsen Brexit-Verhandlungen machen deutlich, wie illusionär der neue Partikularismus angesichts von äußeren Bedrohungen ist, die Zusammenhalt und Stärke erfordern würden.

Die größte Bedrohung Europas liegt in der Selbstgefälligkeit jener, die konsequent den Diskurs über machtpolitische Themen verweigern. Man beschwört das Friedensprojekt Europa und warnt vor Populismus und Nationalismus. Dabei verschweigt man bewusst, dass dies Folgen der politischen Diskussionsverweigerung und nicht deren Ursachen sind. Aber es ist ja viel bequemer, sich über Belanglosigkeiten zu streiten. Zum Teil erinnert das an Diskussionen im Rahmen der mittelalterlichen Scholastik, wo spitzfindig über theologische Feinheiten diskutiert wurde, die ohne große praktische Relevanz waren.

In der NZZ liest sich das wie folgt: „Es wäre billig, dieses Elitenversagen allein den Politikern in die Schuhe zu schieben. Mit einer Verzögerung von zwei Jahrzehnten haben die esoterischen Theoriemoden aus den Geistes- und Sozialwissenschaften in Medien und Parlamenten Einzug gehalten. Für relevante neue Themen bleibt wenig Aufmerksamkeit. So erregt sich die diskutierende Klasse lieber über geschlechterneutrale Sprache und über die Toilettenordnung für 72 Geschlechter als über die akuten Bedrohungen des europäischen Wertekanons. Man ist erinnert an das «byzantinische Geschwätz» über theologische Spitzfindigkeiten, selbst als die Osmanen schon vor den Mauern Konstantinopels standen.“

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