Corporate Governance im internationalen Konzern

Corporate Governance ist ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es handelt sich dabei um den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Unternehmen. Die Verrechtlichung der Wirtschaft schreitet besonders in internationalen Konzernen zügig voran. Davon sind auch mittelständische Unternehmen betroffen, die eine Konzernstruktur aufweisen. Die Risiken steigen von Jahr zu Jahr.

Anders als in Deutschland, wo das Konzernrecht in einer speziellen und in sich geschlossenen Gesetzgebung verankert ist, kennen die meisten Rechtsordnungen keine explizite Gesetzgebung, die die gesellschaftsrechtlichen Herausforderungen gesondert regelt. International gebräuchlich ist der Begriff „corporate group“, wobei dieser Begriff oft nicht eindeutig definiert ist.

In der EU verfügen neben Deutschland nur Portugal, Italien, Slowenien und Tschechien über ein kodifiziertes Konzernrecht. Die Schweiz und Österreich verwenden den Begriff Konzern in Form einer Legaldefinition und halten als zentrales Wesensmerkmal die „einheitliche Leitung“ fest. Außerhalb der EU kennen beispielsweise Brasilien und Taiwan Teilkodifikationen des Konzernrechts.

Besonders internationale Konzerne (mit einheitlichen Rechnungslegungsstandards) bedürfen dringend einer einheitlichen Corporate Governance. Unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen erschweren dies jedoch oftmals sehr und verhindern eine betriebswirtschaftlich gebotene einheitliche Ausgestaltung.

Haftungsrisiken machen eine effektive Corporate Governance unverzichtbar

Wer nicht wirksame organisatorische Vorkehrungen trifft, um diesen Entwicklungen zu begegnen, geht hohe Risiken ein. Versäumnisse im Bereich Corporate Governance können schwerwiegende Folgen haben und wirken oftmals haftungsbegründend für das Konzernunternehmen und seine Obergesellschaft sowie deren Organe. Jedes Unternehmen besitzt ein implizit vorhandenes oder explizit formuliertes System der Corporate Governance, das von den Eigentümern oder den Organen in Kraft gesetzt und gelebt wird. In der Praxis variiert die Qualität dieser Systeme aber stark. Dies gilt besonders bei internationalen Verflechtungen in Konzernen.

Gerade aber in mittelständischen Unternehmensgruppen, die über internationale Töchter verfügen, fehlt oft das Bewusstsein für die Brisanz dieser Thematik. Einerseits versucht man, die Haftungsrisiken durch eigenständische Tochtergesellschaften abzugrenzen (beispielsweise die Produkthaftungsrisiken in den USA), andererseits fehlt das gesellschaftsrechtliche Know-how, um eine möglichst wasserdichte Organisationsstruktur zu schaffen. Dies produziert teilweise zusätzliche Risiken, statt sie zu eliminieren. Es lohnt sich, hier qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen.

Insbesondere beim Cash Pooling ist Vorsicht geboten. Als Instrument der Konzernfinanzierung erscheint es logisch, Liquidität zentral zu steuern und zu verteilen. Geht allerdings bei einer Konzerngesellschaft etwas daneben, dann folgt oft ein böses Erwachen. Hier drohen nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Folgen. Gerade die rechtlichen Aspekte des Cash Pooling sollten unbedingt beachtet werden.

Die Ausrichtung am Unternehmenswert erleichtert die Konzernsteuerung

Eine effektive Corporate Governance bedarf einer gemeinsamen Zielsetzung aller Beteiligten. Die Ausrichtung am Unternehmenswert kann eine einigende Klammer sein. Manager sehen sich mit unterschiedlichen Interessen konfrontiert. Um ein Unternehmen erfolgreich führen zu können, müssen Manager unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen. Einerseits sind es die Erwartungen der Eigentümer, die es zu erfüllen gilt. Es sind aber auch die Interessen von Geschäftspartnern, beispielsweise von Banken, Kunden und Lieferanten, die zu berücksichtigen sind. Auch unternehmensintern darf nicht übersehen werden, dass verschiedene Abteilungen, Sparten, Profitcenter und auch starke Einzelpersonen jeweils auch eigene Interessen verfolgen, durchaus im „berechtigten“ Glauben, das Beste für das Unternehmen und für sich selbst durchsetzen zu wollen . Das gilt besonders im Konzern.

Und dann hat der Manager natürlich auch eigene Interessen, die er verfolgt. Dies ist zutiefst menschlich und auch legitim. Wesentlich ist nun, dass geeignete Führungs- und Anreizsysteme sowohl für den Topmanager als auch für andere Managementebenen diesen Aspekten Rechnung tragen. Es geht darum, möglichst viele Interessen unter einer gemeinsamen Zielsetzung zu vereinen und die unterschiedlichen Anspruchsgruppen ins selbe Boot zu holen. Nachfolgende Animation (Dauer etwa 5 Minuten) zum Thema „Unternehmenswertsteigerung als Anreizsystem“ habe ich für eines meiner Unternehmen erstellt. Es soll diese gemeinsame Zielsetzung exemplarisch und auf humoristische Art und Weise verdeutlichen:

Nach diesem kurzen Exkurs widmen wir uns aber wieder der Ernsthaftigkeit des Alltages und wenden uns einer effektiven Corporate Governance zu. Hierbei stellen wir insbesondere auf das deutsche Konzernrecht ab.

Das deutsche Konzernrecht und der Zwang zur Konzernorganisation

Gem. § 18 AktG liegt ein Konzern vor, wenn „ein herrschendes und mehrere abhängige Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst“ sind. Die Konzernobergesellschaft ist dafür verantwortlich (und allenfalls haftbar, dass

  • der Konzern in seiner Gesamtheit die bestmögliche Wertschöpfung, Leistungserstellung und Profitabilität gewährleistet,
  • konzernweit die gesetzlichen, unternehmensinternen und vertraglichen Regelungen eingehalten werden (Compliance) und
  • die erforderlichen Maßnahmen zur systematischen Erkennung, Analyse, Bewertung, Überwachung und Kontrolle von Risiken getroffen werden (Riskmanagement).

Was logisch klingt, ist international teilweise schwer umsetzbar, da nationale Gesetzgebungen ein „Durchregieren“ von oben nach unten – zumindest in manchen Rechtsformen – schlicht nicht ermöglichen. Der Zwang zur straffen Konzernorganisation gestaltet sich damit international in der Praxis schon aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Gegebenheiten als ausgesprochen anspruchsvoll und teilweise sogar unmöglich.

Im Kartellrecht, bei Geldwäsche- und Anti-Korruptionsgesetzen, bei Fehlverhalten in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, internationale Sanktionen ebenso wie bei Verletzungen von Eigentum und Leben wird die Rechtssituation immer problematischer. Vor allem in den USA und Großbritannien werden auch ausländische Muttergesellschaften immer öfter für ein Fehlverhalten von inländischen Konzerngesellschaften verantwortlich gemacht („direct liability in negligence and battery“). Die Konzernobergesellschaft haftet damit „gesamtschuldnerisch“ auch ohne eigenen Tatbeitrag direkt für ihre Töchter und Enkel. Es wird praktisch automatisch Organisationsverschulden angenommen. De facto herrscht oftmals eine Beweislastumkehr. Wer die drakonischen Strafen des angelsächsischen Rechts kennt, fürchtet sich zu recht.

Nach ständiger Rechtssprechung des EUGH in Kartellrechtsfragen wird vermutet, dass Gesellschaften, bei denen „alle oder fast alle“ Anteile unmittelbar (Tochtergesellschaft) oder mittelbar (Enkelgesellschaft) einer Konzernmutter gehören, als Einheit anzusehen sind. Bei Festlegung der Höhe der Strafe wird die Finanzkraft der Konzernspitze und damit des Gesamtkonzerns in vollem Umfang miteinbezogen.

„Konzernhaftung“ wird insbesondere in UK umfassend interpretiert

Nach dem UK Bribery Act 2010 können ausländische Konzernobergesellschaften für Fehlverhalten ihrer Konzernuntergesellschaften und deren Mitarbeiter (!) sowie auch für Handlungen von nahestehenden Personen („associated persons“, beispielsweise Geschäftspartner, Berater oder Handelsvertreter) verantwortlich gemacht und bestraft werden. Und zwar auch dann, wenn die Mutter nicht an der Tathandlung beteiligt war und diese weder gekannt noch gebilligt hat! Es genügt dazu die geschäftliche Verbindung nach Großbritannien als Anknüpfungspunkt! Selbst umfangreiche Warenlieferungen können ausreichen. Hat die Konzernobergesellschaft keine adäquaten Vorkehrungen („adequate procedures“) getroffen, können Geldstrafen in unbegrenzter Höhe verhängt werden.

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Ähnliche Durchgriffe gibt es auch in den USA bei Menschenrechts- und Umweltschutzverletzungen. Britische Gerichte haben in mehreren Fällen eine „direct duty of care“ judiziert, wenn Mitarbeiter von Tochtergesellschaften an Leib und Leben geschädigt wurden und die Muttergesellschaft nicht für einen entsprechenden Arbeits- und Gesundheitsschutz im Konzernbereich gesorgt hat.

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Geschäftsleitung der Konzernobergesellschaft den Konzern so organisieren muss, dass im Gesamtkonzern (und allenfalls auch bei wichtigen Geschäftspartnern – jedenfalls aber bei sogenannten „Erfüllungsgehilfen“) keine Gesetzesverstöße begangen werden. Andernfalls droht eine Haftung der Konzernmutter und damit auch Haftungsrisiken für Vorstände und Geschäftsführer.

Woraus besteht das Corporate Governance System eines Unternehmens?

Betriebswirtschaftlich gilt im Konzern Ähnliches wie im einzelnen Unternehmen. Corproate Governance ruht auf mehreren Säulen, die sich wechselseitig ergänzen. Exemplarisch sei auf folgendes Schaubild verwiesen:

Quelle: shorturl.at/hnRW9, Zugriff: 07.01.2020

Im Konzern trägt das geschäftsführende Organ der Konzernmutter die nicht delegierbare Verantwortung für die Etablierung und Aufrechterhaltung des konzernweiten Governance-Systems. Den Eigentümern oder Aufsichtsgremien der Konzernobergesellschaft obliegt die Hauptverantwortung für die Aufstellung der erforderlichen Reglemente und Anweisungen an die Geschäftsführung sowie deren Überwachung. Abhängig von der Unternehmensgröße sorgt sodann eine interne Revision (oder ein anderes Kontrollorgan) konzernweit (!) für objektive und unabhängige Prüfungsdienstleistungen.

Geschäftsführer von Tochtergesellschaften haben ihre eigenen Interessen

Unternehmer werden von den verschiedensten Motiven angetrieben. Manager auch. Doch die Motive und vor allem die für sie jeweils erreichbaren Ziele unterscheiden sich. Gerade im Verhältnis von Konzernmutter (als Eigentümer) und Konzerntochter (von Managern geführt) zeigt sich das häufig in besonderer Schärfe. Es beginnt mit der Budgetierung, der Zielerreichung, den Prämien und setzt sich fort mit der Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft.

Werden Unternehmen von Managern geführt, die nicht gleichzeitig Gesellschafter sind, so stellen sich typische Probleme. Dies liegt daran, dass Eigentum und Gestaltungsmacht auseinanderfallen. Damit entstehen unterschiedliche Interessenlagen, die aus den verschiedenen Rollen und den damit zusammenhängenden Motiven resultieren. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Prinzipal-Agent-Problem“ . Das Prinzipal-Agent-Problem entsteht im Konzern immer dann, wenn Manager von Tochtergesellschaften das Unternehmen entweder alleine oder gemeinsam mit dem Manager oder Eigentümer der Konzernmutter führen. Der „Eigentümer(vertreter)“ wird hierbei als „Prinzipal“, der Manager der Tochtergesellschaft als „Agent“ bezeichnet. Eigentümer haben eine völlig andere Risikoexposition als Manager. Sie sind dem Risiko des Vermögensverlustes ausgesetzt, der Manager dem Risiko des Jobverlustes.

„Corporate Governance im Konzern ist nicht alles, aber ohne Corporate Governance ist fast alles nichts“. In einem weiteren Blogpost werde ich demnächst darstellen, welche besonderen Herausforderungen sich konkret im Konzern stellen und wie ihnen zu begegnen ist.

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